Das Wesen. Psychothriller
Gerling?«
»Anna Gerling … warten Sie … Gerling … ist die nicht Ärztin auf der Inneren?«
»Nein, Hebamme.«
»Oh, dann hab ich mich wohl vertan. Nein, die kenn ich auch nicht.«
»Wie ist Ihr Verhältnis zu Susanne Trumpp?«
»Da gibt es kein Verhältnis, ich kenne sie kaum. Sie arbeitet auf der gleichen Station, ab und zu haben wir zusammen Dienst, aber ganz selten.«
»Kennen Sie vielleicht ihr Passwort für die Patientendatenbank?«
»Für die Patientendatenbank? Nein, wie kommen Sie auf die Idee? Es ist verboten, das Passwort an andere weiterzugeben.«
Menkhoff winkte verächtlich ab. »Es ist auch verboten, Ausweise zu fälschen, und trotzdem gibt es immer wieder Leute, die so was machen.«
Markus Diesch betrachtete seine Handflächen. »Ich weiß, dass ich damals den einen oder anderen Fehler gemacht habe, aber ich habe meine Strafe dafür abgesessen.« Seine Stimme hatte einen weinerlichen Klang, was so gar nicht zu ihm passen wollte.
»Na und?«, blaffte Menkhoff ihn an, doch ich fiel ihm ins Wort. »Sie haben sich also noch nie unter dem Namen Ihrer Kollegin in das Programm eingeloggt, zum Beispiel weil Sie Ihr eigenes Passwort vergessen haben und etwas eingeben mussten?«
»Nein, das habe ich nicht«, antwortete er und hörte sich an wie ein störrisches Kind. »Warum sollte ich?«
Ich sah Menkhoff an, und als der kurz nickte, sagte ich: »So wie’s aussieht, hat jemand einen falschen Eintrag in die Datenbank gemacht und anschließend eine gefälschte Geburtsbescheinigung ans Standesamt geschickt. Das heißt, aus behördlicher Sicht gibt es ein Kind, das in Wahrheit gar nicht existiert. Für den Eintrag ins Melderegister reicht aber die Geburtsbescheinigung des Krankenhauses nicht aus. Die Ausweise der Eltern müssen vorliegen und ihre Geburtsurkunden, und wenn die beiden nicht verheiratet sind, außerdem noch eine schriftliche Anerkennung der Vaterschaft. All das müsste der oder diejenige also auch gefälscht haben.«
Es dauerte einen Moment, bis Dieschs Augen groß wurden und er sich aufrichtete. »Jetzt verstehe ich das erst. Es werden irgendwelche Papiere gefälscht, und wer kommt dafür natürlich nur in Frage: der ehemalige Knacki. Das ist verdammt unfair.«
»Reden Sie keinen Unsinn, Herr Diesch«, sagte Menkhoff. »Natürlich denken wir zuerst an den verurteilten Fälscher, wenn in seinem direkten Umfeld etwas gefälscht wird. Was denn sonst? Das ist nicht unfair, das ist logisch. Also?«
Diesch sprang auf, sein Atem ging schnell. »Ich hab damit nichts zu tun. Warum soll … das Motiv, was ist mit dem Motiv? Warum sollte ich das gemacht haben? Was hätte ich denn davon?«
Menkhoff hob die Schultern. »Tja, Lichner hat Sie genervt. Vielleicht hat er Sie so sehr genervt, dass Sie das Bedürfnis hatten, ihm eins auszuwischen? Vielleicht hat er Sie auch richtig wütend gemacht? Er kann ein Kotzbrocken sein, Herr Diesch, und ich hätte sogar ein gewisses Verständnis dafür, wenn Sie ihm was anhängen wollten.«
»Nein. Ich hab damit nichts zu tun, ehrlich. Der Doc … Jo und ich, wir haben uns gut verstanden. Wir haben nie gestritten, kein einziges Mal. Gucken Sie doch in meiner Akte nach.«
In diesem Augenblick fiel mir endlich ein, was dieses komische Gefühl bedeutete, das mir keine Ruhe ließ, seit wir Lichners Wohnung verlassen hatten. Wie hatte ich das vergessen können? Menkhoff stand auf und sagte: »Wir melden uns wieder bei Ihnen, falls wir noch Fragen haben.«
Ich erhob mich ebenfalls und folgte ihm nach draußen.
Als wir endlich so weit von Dieschs Haustür entfernt waren, dass er uns auf keinen Fall mehr hören konnte, sagte ich: »Bernd, wir haben eben in Lichners Wohnung was vergessen.«
»Ja? Was denn?« Es hörte sich nicht so an, als ob er sich wirklich dafür interessierte.
»Diese eine Seite in der Kiste, mit dem Teil von Lichners Diagnose … Erinnerst du dich noch, was da draufgestanden hat?«
Menkhoff grummelte etwas, zog ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus seiner Hosentasche und hielt es mir hin. Als ich es aufklappte, sah ich, dass es die Seite war, von der ich gerade gesprochen hatte. Menkhoff musste sie eingesteckt haben, ohne dass ich es bemerkt hatte.
Ich tippte auf die Stelle, die ich meinte. »Da, der Querverweis am Ende:
Siehe P-Doku 112/1993
, das meine ich.«
Er schien nicht zu verstehen. »Na und? Schätze, das ist ein Hinweis auf einen anderen schwachsinnigen Bericht. Aber wie wir gesehen haben, war das das einzige Blatt
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