Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
Vom Netzwerk:
das Gefühl hatte, mich jeden Moment übergeben zu müssen.
    »Ich dürfte so was als Polizist nicht einmal denken«, sagte Menkhoff, »aber ich wünschte, ich könnte dieses Schwein an den Eiern aufhängen.«
    »Ich würde ihn festhalten, während du die Knoten machst«, sagte ich, und ich meinte es auch so.
    »Das ist der Grund, warum wir bei diesen verdammten Schweinereien immer wieder im Dunkeln tappen, Alex. Weil wir einfach nicht in der Lage sind zu verstehen, was in den kranken Hirnen dieser abartigen Typen vor sich geht.«
    Ich nickte. »Ich glaube, wenn man das wirklich könnte, würde man daran zugrunde gehen.«
    »Ja, wahrscheinlich. Möchtest du einen Grappa?«
    Mir war nicht bewusst gewesen, dass ich einen Grappa wollte, aber als er es sagte, war die Vorstellung mehr als angenehm. »Gern, danke. Einen großen.«
    Ich konzentrierte mich auf das angenehme Brennen, das der Schnaps erzeugte, während er seinen Weg durch meine Speiseröhre zurücklegte, und es war ein so reales, ein so irdisches Gefühl, dass ich mich daran ein Stück weit aus dem Sumpf herausziehen konnte, der mich beim Lesen der Berichte in seine albtraumhafte Welt gezogen hatte.
    »Möchtest du wirklich alle diese Ordner durchgehen?«, fragte ich, nachdem Menkhoff sein Glas geleert hatte.
    Er schaute mich an, und ich sah, wie sehr ihn das alles quälte. »Das kann ich nicht.« Seine Stimme klang heiser. »Außerdem haben ja diese ersten Seiten schon gezeigt, dass die Hypnosesitzungen im Großen und Ganzen immer wieder um den gleichen Zeitraum gehen. Wir dürften also das meiste dieser abartigen Geschichte schon kennen. Nein, ein paar Seiten noch, dann ist Schluss. Ich muss wissen, was aus diesem Schwein und Nicoles Mutter geworden ist. Falls Nicole ihn nicht irgendwann später mal angezeigt haben sollte …«
    Ich wusste, was er sagen wollte, und ich würde ihn wenn nötig unterstützen, um
Papa Erich
aus dem Verkehr zu ziehen.

44
    23. Juli 2009, 21.44 h
    Mit acht Jahren war Nicole zu einem bildhübschen, aber sehr verschlossenen Mädchen geworden, dessen immerwährende, tiefe Traurigkeit ihre junge Grundschullehrerin Sabine Rüssmann veranlasste, Herrn und Frau Zöller zu einem Gespräch einzuladen. Zu dem Termin erschien Erich Zöller, der Stiefvater des Mädchens, allein. Er stellte sich als ein zwar äußerlich etwas abstoßender, aber doch sehr umgänglicher und einsichtiger Mensch heraus. Er zeigte vollstes Verständnis für die Sorgen, die sich die Lehrerin machte, und bedankte sich gleich mehrmals für die Mühe. In der knapp zwanzigminütigen Unterhaltung erfuhr Frau Rüssmann dann, dass die kleine Nicole von jeher so verschlossen war, wahrscheinlich, weil ihr Vater so früh sterben musste, was ihre Mutter ihr – sehr zu seinem, Zöllers, Missfallen – unbedingt schon im Alter von vier Jahren glaubte sagen zu müssen. Ihm sei ja gleich völlig klar gewesen, dass ein kleines Kind eine solche Tatsache nicht verkraften würde, aber – er sei ja nur der Stiefvater. Nun müsse man mit den Konsequenzen leben und sehen, wie man dem armen Kind helfen könne. Er trage sich schon einige Zeit mit dem Gedanken, mit Niki einen Therapeuten aufzusuchen, und habe sich – dank ihres, Frau Rüssmanns, Fürsorgebewusstseins – nun endgültig dazu entschlossen, ob es ihrer Mutter nun gefalle oder nicht. Sabine Rüssmann war zufrieden, mehr noch, sie war ein bisschen stolz, und sie ging in dem Bewusstsein nach Hause, diesem Kind geholfen zu haben.
    Wenige Tage später beschloss Papa Erich, dass die Zeit reif war, das große Geheimnis mit anderen zu teilen. Er habe Freunde, erklärte er Nicole, denen er sehr vertraute. So sehr, dass er sie an ihrem Geheimnis teilhaben lassen wollte. Und er würde schon ganz bald mal einen von ihnen mitbringen.
    Nicole konnte sich nicht vorstellen, wie dieses Teilen vonstattengehen sollte, aber ihre Vorstellungskraft reichte doch aus, zu ahnen, dass es für sie keine Freude werden würde.
    Vielleicht hatte das Schicksal endlich Mitleid mit Nicole, als am nächsten Morgen in der Nähe des Verwaltungsgebäudes am Bahnhofplatz ein Autofahrer das Lenkrad herumriss, weil von rechts plötzlich ein Junge mit seinem Fahrrad auf die Straße schoss. Das Auto – es war ein silberfarbener VW Golf, auf dem man anschließend besonders gut die verschiedenfarbigen Spuren sehen konnte, die Erich Zöllers schwabbeliger Körper hinterließ – schlingerte diagonal über die Straße, erfasste Papa Erich auf dem Gehweg und

Weitere Kostenlose Bücher