Das Wetter vor 15 Jahren
war's eben was anderes, das ihn entgleisen ließ.
Wolf Haas Ja genau. Je näher eine Frau ihm kam, umso größer die Gefahr, dass er keine Grenze mehr gekannt hat.
Literaturbeilage Insofern ja doch wieder ein ganz normaler Mann.
Wolf Haas Wenn dann um zwei, drei Uhr früh einfach nach den mitteleuropäischen Spielregeln die üblichen Handgriffe fällig gewesen wären, hat er stattdessen angefangen, wirklich Wetter zu reden. Also nicht Wetter morgen oder Sieben-Tage-Prognose, nicht Wetterfühligkeit und so weiter. Sondern eben -
Literaturbeilage - Wetter vor fünfzehn Jahren.
Wolf Haas Genau. Oder auch zuerst einmal nur Wetter vor acht, neun Jahren, er hat sich schon ein bisschen vorgetastet. So war's auch wieder nicht, dass er sofort mit „vor fünfzehn Jahren" losgelegt hat.
Literaturbeilage Aber immer nur das Wetter im Urlaubsort seiner Kindheit.
Wolf Haas Da war's natürlich vorbei mit der Romantik. Oder vielleicht - eine Zeit lang hat ihm die eine oder andere noch fasziniert zugehört. Ein interessanter Mann und so. Da existieren ja Vorstellungen bei gewissen Frauen, dass es das gibt. Aber irgendwann hat sich der Vorzug in einen massiven Nachteil verwandelt. Und dann war er nicht mehr der sensible Mann, mit dem man sogar über das Wetter reden konnte, sondern früher oder später ist dann immer der gefürchtete Satz gefallen.
Literaturbeilage „Mann, mit dir kann man ja würklich nur über das Wetter reden!"
Wolf Haas Genau. Mit dir kann man ja wirklich nur über das Wetter reden.
Literaturbeilage Dieser Satz tut einem beim Lesen richtig weh. Mitten in der romantischen Stimmung. Mit dir kann man ja würklich nur über das Wetter reden. Sie ersparen es dem Leser ja auch nicht, dass der Satz gleich mehrmals Eingang in das Buch findet. Wolf Haas Ich fürchte, er musste ihn sich auch mehr als einmal unter die Nase reiben lassen.
Literaturbeilage Aber nicht alle Frauen waren so brutal zu ihm.
Wolf Haas Von „brutal" rede ich überhaupt nicht. Von dieser Perspektive „Die Frauen sind schuld" bin ich wirklich weit entfernt. Also weil sie nicht genug Verständnis hatten oder so. Das kann man meinem Buch sicher nicht unterstellen.
Literaturbeilage Wolf Haas , der große Frauenversteher.
Wolf Haas Die ganze Diskussion, die sich da rund um meine angebliche Darstellung von Anni entzündet hat, da muss ich sagen, meinetwegen. Da kann man mir das eine oder andere unterstellen. Ich finde es zwar ziemlich blöd, was mir da alles nachgesagt wurde, aber bitte, zumindest kann ich grundsätzlich nachvollziehen, wie es zu diesen Vorwürfen kommt.
Literaturbeilage Weil Sie alles nur aus der Sicht des Mannes schildern.
Wolf Haas Das ist zwar der größte Schwachsinn, den man über ein Buch sagen kann. Als wäre die pseudodemokratische Ausgewogenheit eines Autors, der vorgibt, alle Perspektiven zu verstehen, nicht die größte Anbiederung.
Literaturbeilage Gut, dazu können wir später noch kommen, wenn es um Anni geht.
Wolf Haas Die Frauen jedenfalls, die Herrn Kowalski mitten in der Nacht zum Teufel geschickt haben, die kann ich gut verstehen. Es hat was Beleidigendes, wenn einem Mann in so einer Situation nichts Besseres einfällt, als übers Wetter zu reden.
Literaturbeilage Letzten Endes ist es ja durch so eine Situation auch zu seinem Auftritt bei Gottschalk gekommen.
Wolf Haas Wie gesagt, einige Frauen haben mit mehr Verständnis und Geduld reagiert, als man das beim besten Willen erwarten kann. Richtig böse sind die wenigsten geworden. Die meisten haben ihn einfach reden lassen und in einem günstigen Augenblick sozusagen sanft zur Tür hinausgeschoben.
Literaturbeilage Aber die Schreibkraft Claudia war richtig begeistert von seiner Leidenschaft!
Wolf Haas Ja, sie war, wie Riemer das genannt hat, „auch mehr der romantische Typ".
Literaturbeilage Wie sein Freund Kowalski.
Wolf Haas Darum wollte Riemer die beiden ja zusammenbringen. Auch weil er gesehen hat, dass sein Freund langsam, aber sicher in eine Krise schlittert. All diese Erlebnisse sind ja nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Das ganze „Mit dir kann man ja wirklich nur über das Wetter reden".
Literaturbeilage Und die Schreibkraft Claudia war dann auch tatsächlich die Erste, die anders reagierte.
Wolf Haas Sie ist eben auch eher der Typ, der mehr an romantischen Geschichten interessiert ist als an eigenen Erlebnissen.
Literaturbeilage In dieser Hinsicht hätten sie ja würklich zusammengepasst.
Wolf Haas Vielleicht. Aber die ist ja
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