Das Wetter vor 15 Jahren
ob ich den als unterdrückt bezeichnen würde. Also ich möchte das jetzt nicht so vulkanmäßig überinterpretieren. Ich muss zugeben, dass ich gerade deshalb den Satz über die Vulkane fast wieder gestrichen hätte, damit es dann nicht heißt, aha, unterdrückter Typ, und dann bricht's raus aus ihm und so weiter.
Literaturbeilage Aber Sie haben den Satz drin gelassen. Jetzt steht er drin.
Wolf Haas Ja schon, aber ich hab ihn extra so eingepackt, dass er nicht richtig zur Geltung kommt. Immerhin steht der Satz über die Vulkane, die den Deckel heben und die Wolken in die Stratosphäre hinaufdrücken - also, jetzt wo Sie das sagen, kommt mir das plötzlich auch als ziemlich plumpes Bild für Herrn Kowalskis Charakter -
Literaturbeilage Plump hab ich nicht gesagt.
Wolf Haas Jedenfalls - was wollte ich sagen? Immerhin steht der Satz über die Vulkane total im Schatten des entscheidenden Satzes, der direkt darauf folgt.
Literaturbeilage „Du musst unbedingt als Kandidat bei Wetten, dass..? antreten!"
Wolf Haas Man muss sich vorstellen, an der Stelle, wo ihm noch jede andere mit eingefrorener Miene reingedrückt hat: Mensch, mit dir kann man ja wirklich nur über das Wetter reden, sagt die Schreibkraft Claudia fasziniert „Du musst unbedingt als Kandidat bei Wetten, dass..? antreten!"
Literaturbeilage Und so ist es dann ja auch gekommen. Wie viel Zeit ist denn vergangen zwischen Claudias Plan, ihren Vorgesetzten bei Wetten, dass..? anzumelden -
Wolf Haas Das war dann schon mehr Riemers Plan.
Literaturbeilage - und seinem tatsächlichen Auftritt?
Wolf Haas Ziemlich genau ein halbes Jahr.
Literaturbeilage Seinen Auftritt bei Gottschalk haben Sie in vielen Details minuziös wiedergegeben, andere Showteile vor und nach seinem Auftritt radikal verändert. Das war für mich nicht ganz nachvollziehbar, nach welcher Regel Sie da verfahren sind. Wolf Haas Ich glaub, ich hab eigentlich nicht so viel verändert. Nur den Auftritt von Phil Collins hab ich in diese Sendung gelegt. Phil Collins ist ja in Wahrheit schon eine Sendung früher bei Wetten, dass..? aufgetreten. Zuerst hab ich mich geärgert, dass mir Phil Collins so knapp entwischt ist. Ich weiß auch nicht genau, wieso ich gerade den unbedingt drinnen haben wollte.
Literaturbeilage Ich habe das als schönen Kontrast zu der schüchternen Leidenschaft Herrn Kowalskis gelesen, dieser Phil Collins, dem die falschen Gefühle so sonor aus der Kehle tropfen.
Wolf Haas Ja, find ich auch. Ich hab mir halt gedacht, den schreib ich einfach rein.
Literaturbeilage Haben Sie eigentlich nie Angst gehabt, dass Gottschalk etwas dagegen haben könnte, in Ihrem Roman aufzutauchen? Oder haben Sie sich da ür-gendwie rechtlich abgesichert? Macht das der Verlag für einen Autor, wie darf man sich das vorstellen?
Wolf Haas In meinem Dialekt gibt es ein schönes Sprichwort, an das ich mich in Zweifelsfällen gern halte. „Wer lang fragt, geht lang irr."
Literaturbeilage Das muss ich mir merken.
Wolf Haas Aber im Ernst. Warum soll er mir was in den Weg legen? Ich hab ihm ja nichts angedichtet. Das ist fast ein protokollartiger Teil im Buch. Das Video hab ich übrigens von Riemer bekommen, der hat das aufgenommen. Ich glaub, das hab ich mir sicher hundertmal angeschaut. Und im Buch findet man an der Stelle eine ganz brave Beschreibung von dem, was eben im Fernsehen zu sehen war. Also wie Herr Kowalski auf die Bühne kommt und zu schwitzen anfängt, weil er viel zu warm angezogen ist. Wie Gottschalk ihn dem Publikum vorstellt, mit einem kurzen Wortspiel über die „Wetterwette" seine Wette erklärt und wie er relativ eilig zu den Fragen übergeht.
Literaturbeilage Wahrscheinlich war er zeitlich wieder mal im Verzug.
Wolf Haas Ja vermutlich. Das ewige Problem. Vielleicht auch, weil Herr Kowalski als Typ nicht viel hergegeben hat, das war ja kein schriller Kandidat irgendwie, sondern eher ein Langeweiler.
Literaturbeilage Sie gehen ja ganz schön respektlos mit Ihren Romanfiguren um.
Wolf Haas Ich spreche nur von seiner Fernsehwirkung. Wenn ich ihn wirklich für einen Langeweiler halten würde, hätte ich nicht ein Buch über ihn geschrieben. Oder eigentlich geht es genau um das Thema irgendwie. „Der letzte Langeweiler", das wäre vielleicht noch ein guter Titel gewesen. Jedenfalls. Lange Rede, kurzer Sinn, um auch einmal Kowalskis Lieblingsredewendung zu verwenden -
Literaturbeilage Lange Rede, kurzer Sinn? Das kommt aber im Buch nicht vor.
Wolf Haas Nur einmal, glaub ich.
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