Das wilde Herz der Highlands
Kleidertausch narren.“
Seonaid wandte sich ab, damit die beiden sich ungestört umziehen konnten, und trat abermals ans Portal, um auf Geräusche vom Gang her zu lauschen. Aeldra folgte ihr, und eine Weile standen sie schweigend da und horchten. Plötzlich schaute Seonaid an sich hinab und musterte stirnrunzelnd das lange Unterkleid, das sie unter dem Plaid trug. Es würde sie in ihrer Bewegungsfreiheit behindern, sollten sie in Schwierigkeiten geraten - und die Lage sah ganz danach aus.
Mit einer Geste bat sie Aeldra, ihren Platz an der Tür einzunehmen, legte das Plaid ab, setzte ihren Dolch einige Zoll unterhalb der Hüfte an und trennte den Rock des schlichten weißen Gewands ab, der weich zu ihren Füßen landete. Das gekürzte Unterkleid steckte sie sich in den Bund der Stoffhosen, die sie darunter trug. Zu Hause liefen Aeldra und sie so gut wie immer in Hosen und einer kurzen Tunika herum. Die langen Kleider trugen sie nur, um Äbtissin und Nonnen nicht vor den Kopf zu stoßen. Nun aber, da ihnen Ärger drohte, musste sich das Feingefühl der Schwestern der Zweckmäßigkeit beugen. Denn sollten sie kämpfen oder rennen müssen, würden sie dies in Hosen weit besser können.
Als Seonaid fertig war, schnitt sie einen Stoffstreifen vom Rock ab und band sich das lange schwarze Haar zurück. Anschließend postierte sie sich an der Tür, um Wache zu halten, während auch Aeldra sich das Kleid kürzte.
„Wo, zum Teufel, sind die nur alle?“
Blake zuckte als Antwort auf Rolfe Kenwicks gemurmelte Frage nur die Schultern. Der Garten lag ebenso verlassen da wie Eingangsbereich, innere Räumlichkeiten und jede Zelle, in die sie bislang gespäht hatten. Das Kloster war verwaist und so still wie ein Grab. Richtig unheimlich, dachte er, als er in einen ebenfalls leeren Nebengang bog.
Er blieb stehen und schaute sich nach seinen Begleitern um. Kenwick, Little George, der Bischof und zwanzig Bewaffnete waren ihm gefolgt und sahen sich staunend und besorgt im inneren Heiligtum des Konvents um. Ihre Neugier konnte Blake ihnen kaum Vorhalten, denn es dürfte das erste und letzte Mal sein, dass sie das Innere eines Nonnenklosters zu Gesicht bekamen.
Seufzend schüttelte er den Kopf und blickte zurück zum Hauptkorridor.
„Was ist?“, fragte Kenwick und schaute ebenfalls in die Richtung, aus der sie gekommen waren.
„Die Kapelle“, entgegnete Blake. „Ich könnte schwören, dass die Tür sich geschlossen hat, als ich am Ende des Gangs stand.“
„Aber in der Kapelle haben wir uns bereits umgesehen. Sie war leer. “
„Hm. “ Nach wie vor starrte er den Gang entlang. Sein Bauchgefühl drängte ihn, die Kapelle noch einmal zu durchsuchen, und ein Krieger lernte rasch, auf sein Bauchgefühl zu vertrauen. Also stapfte er auf die Kapelle zu, hielt jedoch nach einigen Schritten inne, um die Bewaffneten anzuweisen, den Nebengang weiterhin nach den Klosterbewohnern zu durchstöbern. Als er sich wieder in Bewegung setzte, nahm er wahr, dass Kenwick, Little George und der Bischof ihm folgten.
Seonaid lugte auf den Gang hinaus und richtete sich auf, als Aeldra sie anstieß. Auch die Cousine hatte ihr Unterkleid ein Stück abgeschnitten, sodass es ihr nicht länger im Weg war, und Schwester Blanche und Lady Helen hatten ihren Kleidertausch vollendet und sich zu ihnen gesellt.
„Eure Gewänder!“, entfuhr es Lady Helen überrascht, als sie sah, dass auch Seonaid und Aeldra ihre Garderobe einer Änderung unterzogen hatten. „Ihr seht so ... anders aus in Hosen.“
Seonaid lächelte, während sie leise die Tür schloss und sich Schwester Blanche und Lady Helen zuwandte, um sie zu begutachten. Lady Helens letzter Satz traf auch auf die beiden zu, denn sie hatten sich ebenfalls gründlich gewandelt. Im Habit der Nonnen, der sowohl Haar als auch Leib gänzlich verhüllte, war Lady Helen von geradezu überirdischer Schönheit. Schon vorher war sie bildhübsch gewesen, doch nun umgab sie ein reiner, unschuldiger Liebreiz. Schwester Blanche hingegen sah schauderhaft aus. Ihre sonst so heitere Miene wirkte angespannt und verkniffen, und ihr geschorener Kopf wirkte absonderlich ohne den Schleier.
Seonaid blickte sich um, ging zur Stirnseite der Kapelle und zog ein weißes Tuch von einem Tisch, auf dem Kerzen standen.
„Was tut Ihr da?“ Schwester Blanche kam ihr nachgeeilt, als die Kerzen zu Boden purzelten.
„Wer immer Euch beiden begegnet, durchschaut den Mummenschanz sofort“, erklärte sie. „Wir müssen Euren
Weitere Kostenlose Bücher