Das wilde Herz der Highlands
reden.“
„Oh, natürlich, ich ...“ Hinter ihr rief jemand etwas und schnitt ihr damit das Wort ab. Jäh kam ihr wieder in den Sinn, dass Lord Rolfe in den Stall gegangen war, doch als sie herumfuhr, sah sie ihn zurückeilen. Neben Blanche blieb er stehen, den übrigen Männern zugewandt.
„Ich denke, sie sind geflohen“, verkündete er unwirsch. „Wer?“, fragte der Bischof verwirrt.
„Lady Seonaid und Lady Aeldra. Mindestens zwei Pferde fehlen, vielleicht auch drei.“
Alle Blicke richteten sich auf Blanche, die bereits spürte, wie ihr das Amt der Äbtissin wieder entglitt. Kurz rangen ihr Ehrgeiz und ihr Gewissen miteinander, ehe sie die Schultern straffte, sich entschlossen den Männern zuwandte und tat, was ihr Gewissen ihr zu tun befahl - sie log, um die Frauen zu retten, die hier Schutz gesucht hatten und verraten worden waren. „Das waren meine Pferde. Ich habe sie an den Lord eines nahe gelegenen Guts verkauft, und er ist umgehend nach dem Handel wieder aufgebrochen.“
„Ihr seid eine miserable Lügnerin, Lady Helen“, erwiderte Lord Rolfe freundlich. „Aber dass Ihr Euch überhaupt die Mühe macht zu lügen, sagt uns ebenso viel wie die Wahrheit selbst.“ Er grinste Lord Blake an. „Wie es aussieht, sind wir doch nicht gezwungen, Eure flüchtige Braut aus dem Kloster zu locken. Einmal mehr ist sie aus dem Hühnerstall entfleucht.“
Lord Blake wirkte alles andere als erfreut, murmelte etwas, das Blanche nicht verstand, und schritt auf den Stall zu. Little George und die übrigen folgten ihm, um die Pferde zu holen. Fieberhaft überlegte sie, wie sie die Männer aufhalten könnte, als der Bischof sich plötzlich umdrehte und sie besorgt anschaute. „Lady Helen, seid so gut und sucht Schwester Blanche. Sagt ihr, was ich Euch mitgeteilt habe. Sollte sie bereit sein, bis auf Weiteres die Leitung des Klosters zu übernehmen, wüsste ich das sehr zu schätzen. Ich werde zurückkehren, sobald ich kann.“
Damit schritt er den anderen nach. So verblüfft war Blanche, dass seine Worte nur langsam zu ihr durchdrangen. Erst als die Pforte zufiel, wurde ihr wieder bewusst, dass die Männer den drei Frauen nachsetzen wollten. Sie keuchte entsetzt, stürzte zur Pforte und zog sie auf, doch es war zu spät. Die Männer waren bereits aufgesessen und stoben davon. Allerdings in die falsche Richtung, wie sie erkannte, weshalb sie davon absah, ihnen nachzurufen. Ihre Sorge wich einem erleichterten Lächeln, und sie schlüpfte zurück in die Klosteranlage und schloss die Pforte.
„Danke, Gott“, murmelte sie, als sie den Riegel vorlegte. „Du bist wahrhaft wundersam und barmherzig.“
„Wohin reiten wir?“
Die Frage brannte Helen schon seit Stunden auf der Seele, aber immer wieder hatte sie sich eingeredet, dass Lady Seonaid und deren Cousine schon wussten, was sie taten. Doch jetzt konnte sie ihr ungutes Gefühl nicht länger unterdrücken. Alles deutete darauf hin, dass sie gen Osten ritten und nicht nach Süden, wo sie zu Hause war. Lady Seonaids Antwort ließ ihr das Herz sinken.
„Derzeit nach Osten.“
„Nach Osten? Aber ich muss doch nach England, nach Süden.“
„Aye, aber genau dort wird Rollo Cameron Euch vermuten“, hielt Lady Seonaid ihr ruhig entgegen.
„Aber was liegt denn im Osten?“
„Dundee.“
Helen hob die Brauen. „Und was ist in Dundee?“
„Nichts.“
„Nichts?“ Entgeistert starrte Helen sie an. „Aber wenn dort nichts ist, wieso ...?“
Seufzend zügelt Seonaid ihr Pferd und wandte sich im Sattel zu Helen um. „Wir werden von zwei Gruppen verfolgt, richtig? “ „Nun, wer weiß?“, erwiderte Helen verzagt. „Rollo verfolgt uns vielleicht, vielleicht auch nicht. Und Lord Blake könnte nach wie vor im Kloster sein.“
„Ich bezweifle, dass er noch im Kloster ist. Selbst wenn es Schwester Blanche gelingt zu verheimlichen, dass wir fort sind, genügt ein Blick in den Stall, ihm klarzumachen, dass wir auf und davon sind.“
Helens Augen weiteten sich, als ihr dämmerte, dass sie recht hatte.
„Was nun Cameron angeht“, fuhr Seonaid geduldig fort, „so mag er uns noch nicht auf den Fersen sein, aber er ist gewiss auf der Suche nach Euch. Wenn er beim Kloster anlangt und feststellt, dass Ihr geflohen seid, wird er damit rechnen, dass Ihr Euch nach Süden in Richtung England wendet. Zweifellos wird er glauben, dass Ihr den direkten Weg wählt, wie ein Fuchs zu seinem Bau. Falls Sherwell durch Schwester Blanche erfährt, in welch misslicher Lage
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