Das wilde Herz der Highlands
bin, während sie heimgeritten ist.“
„Und was würde Euer Vater tun?“
„Er wäre aufgebracht, ja außer sich. Und er würde sich sofort aufs Pferd schwingen und nach St. Simmian’s eilen, um die Geschichte aus meinem Mund zu hören.“
„Allein?“
„Nay, er würde den Gutteil seiner Krieger mitnehmen und in seiner Wut darauf sinnen, Rollo im Kampf zu stellen. Daher würde er genügend Männer mitführen, um Rollos Burg, falls nötig, belagern zu können.“
Seonaid nickte. „Würde er sich die Zeit nehmen, zunächst eine Botschaft an Euren König zu verfassen?“
Nachdenklich kaute Helen auf ihrer Unterlippe, ehe sie den Kopf schüttelte. „Nay.“
Seonaid seufzte. „Ich glaube kaum, dass es einen Unterschied machen würde, ob er dem König nun schreibt oder nicht. Solange Rollo Cameron nur Euch und Euren Vater tötet, ist er ohnehin in Sicherheit.“
„Aber Vater hätte eine ganze Armee dabei. Wie könnte er in Gefahr sein, wenn er von so vielen Bewaffneten umgeben ist?“ „Sie werden nach Euch suchen und nicht nach einem Mörder in den eigenen Reihen“, entgegnete sie achselzuckend. „Mörder?“, hauchte Helen.
„Nun, Cameron muss nicht die gesamte Armee Eures Vaters umbringen, sondern nur ihn und Euch, und es entweder wie einen Unfall aussehen lassen oder die Schuld auf andere lenken. Anschließend kann er behaupten, Ihr hättet ihn missverstanden und alles sei ein Trugschluss gewesen. Vermutlich käme er davon, wenn Euer Vater nicht mehr da ist, um die Sache weiterzuverfolgen. Oder habt Ihr noch andere einflussreiche Verwandte - einen Onkel oder einen Bruder vielleicht?“
Helen schüttelte den Kopf. „Ich bin das einzige Kind meiner Eltern, und weder mein Vater noch meine verstorbene Mutter haben Geschwister. Deshalb hat Vater sich für Rollo Cameron entschieden. Der nämlich hat einen älteren Bruder, der Laird der Camerons ist. Vater hatte gehofft, dass Rollo nach England kommen würde, um ihm nachzufolgen.“
Seonaid nickte, schritt weiter auf und ab und dachte nach. Helen und Aeldra warteten geduldig, sahen aber erwartungsvoll auf, als sie innehielt und sich ihnen zuwandte. „Aeldra und ich machen uns auf zu Eurem Vater und berichten ihm alles. So ist er zumindest gewarnt und kann nach Cameron Ausschau halten. Wir können gemeinsam mit ihm zurückkommen und ...“ „Ich begleite Euch.“
„Nay, hier ist es sicherer für Euch, Helen.“
„Ich werde nicht zulassen, dass Ihr beide allein Euer Leben für mich riskiert. Ich komme mit“, sagte sie entschlossen. „Nay, Ihr ...“
„Würdet Ihr mir gestatten, mich auf eine solch gefährliche Reise zu begeben, während Ihr selbst innerhalb sicherer Mauern zurückbleibt?“
Seonaid funkelte sie finster an, unfähig, dem zu widersprechen.
„Wenn wir zudem den Geheimgang nehmen, den Aeldra erwähnt hat, könnten wir entwischen, ohne dass Rollo uns bemerkt. Sollte er uns nach Dunbar gefolgt sein, hat er uns in den Hof einreiten sehen. Daher wird er nur das Tor im Auge behalten.“
„Sie hat recht“, meinte Aeldra ruhig. „Außerdem haben wir ihr versprochen, sie nach Hause zu bringen.“
„Stimmt.“ Seonaid seufzte. „Also gut, wir gehen alle.“
Sie schwiegen kurz.
„Was ist mit Blake Sherwell?“, fragte Helen schließlich.
Seonaid lächelte schief und zuckte mit den Schultern. „Er hat mich zehn Jahre lang warten lassen, nun kann zur Abwechslung mal er warten.“
Helen nickte. „Wann brechen wir auf?“
Seonaid tauschte einen Blick mit Aeldra und zuckte abermals mit den Schultern. „Jetzt. Die Männer dürften noch eine Weile schlafen, was uns einen Vorsprung verschafft. Kommt.“
Sie ging den anderen voran zur Tür, öffnete diese und trat auf den Gang hinaus. Erleichtert stellte sie fest, dass niemand draußen war. Sie gab Aeldra und Helen mit einer Geste zu verstehen, dass sie leise sein sollten, schlich auf Zehenspitzen den Korridor entlang zu ihrem eigenen Gemach und öffnete die Tür.
„Befindet sich der Zugang etwa hier?“, fragte Helen flüsternd. Der beunruhigte Unterton veranlasste Seonaid, einen Blick über die Schulter zu werfen, während sie über die Schwelle trat.
„Aye. Weshalb fragt Ihr so merkwürdig?“
„Oh, verflixt!“, zischte Aeldra, die ebenfalls in die Kammer geschlüpft war.
Seonaid wandte ruckartig den Kopf und sah Aeldra fragend an, ehe sie deren entsetztem Blick folgte. Vor Schreck blieb ihr der Mund offen stehen. Der Zugang zum geheimen Tunnel war versperrt.
10.
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