Das wilde Herz der Highlands
ebenso gewandt zu nehmen. Als sie in die Küche kamen, grüßte sie ihn warmherzig und schmeichelte ihm auf dezente Weise, bis er sich regelrecht überschlug, ihr jeden Wunsch zu erfüllen. Seonaid wusste nicht, ob sie je dieses Geschick entwickeln würde, aber es faszinierte sie auf jeden Fall. Ihre Begeisterung erhielt jedoch einen Dämpfer, als Lady Wildwood anmerkte: „Vielleicht sollten wir erfragen, ob auch Lord Blake irgendwelche Lieblingsgerichte hat.“
Seonaid sah missmutig drein. „Kanincheneintopf.“
„Hm, wohl eher nicht.“
Lady Wildwoods Ton blieb unverändert, nur ihr Lächeln war ein wenig verblasst. Offenbar war ihr die Geschichte vom vergifteten Eintopf zu Ohren gekommen. Seonaid nahm an, dass Gavin gegenüber Duncan den Mund nicht hatte halten können. Von Duncan musste es zu ihrem Vater durchgedrungen sein, der es wiederum Lady Wildwood erzählt hatte. Sie wünschte, er hätte es nicht getan. Prompt meldete sich ihr schlechtes Gewissen, und sie wand sich unbehaglich unter Lady Wildwoods versonnenem Blick.
„Ich kann nachvollziehen, dass Euch Sherwells Versäumnis, Euch zu holen, zutiefst gekränkt hat, Seonaid“, setzte sie sanft an. „Und obwohl ich das verstehe, meine ich doch, dass Ihr es Euch nicht zu Herzen nehmen solltet. Denn schließlich hat er Euch nicht gekannt, und daher hat er sich nicht Euch persönlich zu entziehen versucht.“
„Hat er nicht?“
„Nay.“
„Wem hat er sich dann zu entziehen versucht?“
„Nun tut Ihr absichtlich so, als wäret Ihr schwer von Begriff“, wandte sie ungeduldig ein. „Ich bin sicher, Ihr wisst, was ich meine. Hätte er Euch zuvor bereits kennengelernt, so hättet Ihr jedes Recht, durch sein Zaudern gekränkt zu sein. Aber da er Euch nicht kannte, war es nicht gegen Euch persönlich gerichtet, dass er nicht gekommen ist, sondern allein gegen Euren Namen. Es war gegen Euch als Tochter Eures Vaters gerichtet. Nun, da er Euch getroffen hat, hat er offenkundig nichts mehr dagegen, Euch zur Frau zu nehmen.“
„Ach nein?“
„Nay. Denn er hätte Euch keineswegs quer durch Schottland nachjagen müssen, mein Kind. Nachdem Ihr Euch ihm in St. Simmian’s entgegengestellt habt, hätte er jederzeit zum König gehen und sagen können, dass er seinen Teil der Abmachung erfüllt habe, dass Ihr Euch ihm allerdings verweigert hättet und er daher vom Vertrag entbunden werden möchte. Dass Ihr ihn im Kloster mit dem Schwert bedroht habt, hätte ihm geholfen, sich von Euch zu befreien - wenn er es denn gewollt hätte.“ „Ihr glaubt also, dass er mich heiraten will?“, fragte Seonaid erwartungsvoll.
„Aye, das tue ich.“
„Wieso?“
„Wieso?“, wiederholte Lady Wildwood verwirrt.
„Warum sollte er mich heiraten wollen? Ich weiß nichts von dem, was man als anständige Dame und Gemahlin wissen muss. Ich kann nicht nähen, ich kann die Bediensteten nicht anweisen, ich ...“ Seonaid sah, dass Elgin sich verstohlen genähert hatte und ungeniert lauschte. Sie funkelte den Mann an. „Sieh zu, dass das Colcannon fertig wird!“, blaffte sie. „Wehe, wir haben keines zum Nachtmahl.“
Wortlos hastete Elgin davon.
„Nun ...“ Lady Wildwood räusperte sich. „Ihr wisst die Bediensteten durchaus zu führen, wenngleich Ihr lernen könntet, dies ein wenig behutsamer zu tun. Was nun das Nähen und dergleichen angeht, so dürfte Lord Blake über Mägde verfügen, die sich dieser Aufgaben annehmen.“
Seonaid sann darüber nach und seufzte. „Ich weiß ja nicht einmal, was eine Dame alles wissen sollte. Ich weiß nur, dass ich nichts weiß.“
Lady Wildwood überdachte die Angelegenheit kurz. „Aye, aber dafür besitzt Ihr Gaben, an denen es den meisten Damen mangelt. So ist mir beispielsweise zugetragen worden, dass Ihr und Aeldra schon gemeinsam mit den Männern in die Schlacht gezogen seid. Stimmt das?“
„Aye. “ Seonaid lächelte schief. „Und jedes Mal mussten wir die Burschen hinterher wieder zusammenflicken.“
„Das habt Ihr getan?“, fragte Lady Wildwood aufgeregt. „Haben wir. Was das angeht, sind sie wie Säuglinge. Die meisten heulen und jammern und schrecken zurück, wenn sie eine Wunde nähen oder auch nur Whisky darübergießen sollen. Deshalb hat Giorsal uns beigebracht, wie man Verletzungen behandelt.“
„Aber das ist ja wunderbar! “, rief Lady Wildwood begeistert. „Ist es das?“, fragte Seonaid vorsichtig. „Warum?“
„ Warum ?“, wiederholte Lady Wildwood verblüfft und schüttelte den Kopf.
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