Das wilde Herz der Highlands
gelassen hingenommen und schlicht erwidert: „Er ist ein Mann und vergnügt sich als solcher natürlich mit allen Huren, die willig sind. Aber heiraten wird er mich.“ Mit diesen Worten hatte sie die entsetzt aufkeuchende Dame stehen gelassen. Und so hatte sie die Sache damals tatsächlich gesehen.
Man erwartete von jungen Burschen, dass sie sich die Hörner abstießen, bevor sie den Bund der Ehe eingingen. Nicht wenige trieben dieses Spiel auch lange danach weiter. Doch wie immer der Fall bei Sherwell lag, nahm Seonaid sein Verhalten zunächst nicht als persönlichen Affront. Sie hatte den Geschichten gleichmütig gelauscht und geduldig auf den Tag gewartet, da er kommen und sie heiraten werde, auf dass sie sich ein Heim und eine Familie würden schaffen können. So war ihre Jugend verstrichen, und als erwachsene Frau hatte sie sich so manchem Tagtraum über ihre Zukunft hingegeben. Sie hatte sich einen hübschen blonden Jüngling fantasiert, der in den Burghof von Dunbar einzog. Selbstredend ritt er ein schneeweißes Streitross und saß so stolz im Sattel wie ein griechischer Gott. Er sah sich unter den Burgbewohnern um, und - natürlich - erkannte er Seonaid mit dem Herzen sofort als seine Braut.
In ihren Tagträumen übte sich Seonaid stets im Schwertkampf, wenn er eingeritten kam. Der Blake ihrer Träume war überwältigt von ihren Kampfkünsten, sprang vom Pferd, nahm den Platz des besiegten Gegners ein und kreuzte die Klinge mit ihr. Dabei hielt er sich keineswegs zurück, denn dafür hatte er viel zu große Achtung vor ihren Fertigkeiten. Immer endete der Kampf unentschieden, keiner schlug den anderen. Blake Sherwell verbeugte sich und versicherte ihr, wie grenzenlos seine Bewunderung für ihr Geschick sei und wie stolz es ihn mache, sie zur Gemahlin zu nehmen. Dann und wann küsste er sie sogar, und manchmal -wenn sie allein in ihrer Kammer war und Aeldra nicht neben ihr schnarchte - gingen ihre Tagträume über einen bloßen Kuss hinaus. Dann wagte Sherwell, durch ihr Gewand hindurch ihre Brüste zu berühren, und sie wälzten sich auf dem Boden und rangen miteinander. An diesem Punkt glitt Seonaid für gewöhnlich mit einem zufriedenen leisen Seufzer in den Schlaf.
Erstmals waren diese Bilder kurz vor ihrem sechzehnten Geburtstag aufgetaucht, um sie künftig mit schöner Regelmäßigkeit heimzusuchen. Ab diesem Zeitpunkt nämlich ließ ein jeder auf der Burg sie wissen, dass Sherwell nun wohl bald kommen werde. Auch nach ihrem sechzehnten Geburtstag hatte sie sich in diesen Träumen ergangen und ebenso nach ihrem siebzehnten. Als auch ihr achtzehnter Geburtstag verstrich, ohne dass Sherwell gekommen war, verloren die Bilder ein wenig an Reiz, und auch die Versicherungen, er werde sie gewiss bald holen, nahmen ab. Diese Tendenz verstärkte sich, als es auf ihren neunzehnten Geburtstag zuging, und an ihrem zwanzigsten endlich hatten sich die Bilder verändert. Nach wie vor ritt Sherwell in den Hof ein und erkannte sie auf Anhieb, aber ihr Schwertkampf endete mit seiner Niederlage, woraufhin er um Vergebung dafür winselte, dass er sie so lange hatte warten lassen. Schließlich gab sie nach und ließ sich dazu herab, ihn zu ehelichen.
An ihrem zweiundzwanzigsten Geburtstag sprach niemand mehr davon, dass er sie bald holen werde, und wann immer Sherwells Name fiel, wichen die Leute verlegen ihrem Blick aus. Es war offenkundig, dass er nicht mehr kommen würde. Etwa zu dieser Zeit hatten sich ihre Tagträume grundlegend gewandelt. Er erkannte sie darin immer noch, und weiterhin kam es zum Kampf, aber Seonaid schlug ihn grün und blau, spie ihm ins Gesicht und beschied ihm, dass sie ihn selbst dann nicht heiraten würde, wenn er der letzte Mensch auf Erden wäre. So sehr er auch katzbuckelte - sie blieb unnachgiebig.
Schließlich wurde ihr zugetragen, dass Duncan seine Iliana nur unter einer Bedingung zur Frau genommen hatte: Sherwell sollte gezwungen werden, die vor so vielen Jahren vertraglich vereinbarte Ehe endlich einzugehen. Seonaid war außer sich gewesen vor Scham und Wut. Der Kerl musste also erst gezwungen werden, sie zu holen, so als sei sie eine pockennarbige Hure, die kein Mann zur Braut wollte. Allein ein königlicher Befehl konnte ihn offenbar dazu bewegen, seiner Pflicht nachzukommen. Das war es, was sie zur Flucht verleitet hatte - mit verhängnisvollem Ausgang.
„Ich finde, er sollte noch ein wenig leiden“, meinte Aeldra grimmig.
„Er vielleicht, aber ich will nicht, dass außer
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