Das wilde Herz der Highlands
die Länge gezogen oder eine neue Möglichkeit zur Flucht erhalten hätte, könnte ich es verstehen. Aber wieso sollte sie lügen, wenn sie die Schwindelei nur umso schneller hierher zurückbringt, wo sie sich doch so sehr gegen die Hochzeit gesträubt hat?“ Erneut schüttelte er den Kopf. Das Ganze ergab keinen Sinn.
Dunbar dachte nach und schaute abermals zu Aeldra und Helen hinüber. Blake folgte seinem Blick. Die beiden Frauen saßen dicht nebeneinander an der Tafel und schienen ein ernstes Gespräch zu führen.
„Wer ist sie?“
Blake sah Dunbar erstaunt an. „Wer? Schwester Helen?“ „Aye. Wer ist sie, und wie ist sie zu Eurer Gruppe gestoßen?“ Achselzuckend warf Blake den Frauen noch einen Blick zu. „Sie ist... Schwester Helen eben“, erwiderte er lahm. „Seonaid sagte, sie habe ihr versprochen, sie für einen Familienbesuch nach England zu bringen.“
„Wo genau in England?“
Er sah Dunbar überrascht an. „Ich weiß es nicht“, musste er einräumen. „Ich weiß nur, dass sie Schwester Helen ist und das Kloster gemeinsam mit Seonaid und Aeldra verlassen hat.“ „Soso.“ Dunbar wandte sich ab und stapfte zum Tisch. Kurz sah Blake ihm hinterher, ehe er, von Neugier übermannt, aufstand und ihm nacheilte.
Seonaid schwirrte der Kopf von all den Dingen, die Lady Wildwood ihr eröffnet hatte. Die Dame führte sie zurück in den Wohnturm und durch die Küche. War Seonaid bereits vorher verwirrt gewesen, was Sherwell und ihre Gefühle angesichts der Hochzeit anging, so war sie nun völlig durcheinander. Lady Wildwood hatte ihr versichert, dass das erste Mal zwar schmerzhaft sei, dies jedoch nicht an der Größe seiner Lanze liege. Künftig, so hatte sie angemerkt, könnte Seonaid deren Größe gar zu schätzen wissen. Auch hatte sie beteuert, dass Sherwell - nach allem, was sie bei Hofe gehört hatte - das Brautbett vermutlich zu einer überaus angenehmen Erfahrung für Seonaid machen werde.
Dann war da die Sache mit seiner Saumseligkeit, in der ihre Wut auf den Mann wurzelte. Lady Wildwood hatte ihr geraten, ihren Zorn zu vergessen, und leider hatte Seonaid dem nichts entgegenzusetzen gehabt. Lady Wildwood hatte darauf beharrt, dass Sherwell sie mit seiner Säumigkeit nicht persönlich hatte treffen wollen, denn er hatte sie ja bis vor Kurzem gar nicht gekannt. All dies ging Seonaid durch den Sinn, sodass sie nun gar nicht mehr wusste, was sie empfinden oder denken sollte. Sie wusste nur, dass sie Helen etwas versprochen hatte und ihr Versprechen halten musste. Zweifellos warteten die anderen beiden darauf, zu erfahren, wie der nächste Schritt aussehen werde, da eine Flucht durch den Geheimgang ja nicht länger möglich war.
Aber was sollte sie nun tun? Zu ihrem Vater zu stürmen, nachdem sie den Zugang zum Tunnel verschlossen vorgefunden hatte, war nicht gerade schlau gewesen. Nun würden alle sie im Augen behalten - wobei Sherwell sie unablässig voller Argwohn beäugte, wie sie einräumen musste.
„Seonaid, Liebes?“
„Aye?“ Fragend sah sie Lady Wildwood an, während sie ihr aus der Küche in die Große Halle folgte.
„Woher stammt Schwester Helen eigentlich? Sie kommt mir so vertraut vor. Vielleicht kenne ich ihre Familie.“
Seonaid kam abrupt zum Stehen und öffnete den Mund, nur um ihn gleich wieder zu schließen. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte. Plötzlich ging ihr auf, dass sie selbst keine Ahnung hatte, woher Helen kam. Aber selbst wenn, so hätte sie es Lady Wildwood ohnehin nicht gesagt.
„Woher seid Ihr eigentlich genau, Schwester?“
Die Frage ihres Vaters ließ Seonaid zur Tafel herumfahren, wo er mit Helen, Aeldra und Sherwell saß. Als sie Helens schreckensstarre Miene sah, entschuldigte sie sich bei Lady Wildwood und eilte zum Tisch, um zu verhindern, dass ihr Vater weitere Fragen stellen konnte. Bis feststand, ob sie Helen nun heimlich nach Hause bringen würden oder nicht, war es unklug, zu viel preiszugeben. Nach ihrer Unterhaltung mit Lady Wildwood war sie allerdings geneigt, die Männer in das Geschehen einzuweihen, damit sie helfen konnten. Doch zuvor musste sie darüber mit Helen reden.
„Sie ist aus St. Simmian’s“, erklärte Seonaid, als sie neben der Tafel stehen blieb. Entschlossen fasste sie Helen am Ellbogen und zog sie hoch. Auch Aeldra war umgehend auf den Beinen.
„Aye, aber wo wurde sie geboren, Seonaid? “, bohrte ihr Vater nach. „Wo lebt die Familie, die sie besuchen möchte?“
„In England“, erwiderte sie knapp und
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