Das wilde Herz der Highlands
„Weil es zu den wertvollsten Fertigkeiten einer Dame gehört, sich um Kranke und Verwundete kümmern zu können, meine Liebe. Und Ihr könnt es.“
„Oh.“ Seonaid war erleichtert. Zumindest eine Gabe besaß sie. Besser als nichts.
„Und Ihr habt noch viele weitere Talente, die anderen Frauen fehlen. Zudem seid Ihr sehr hübsch und offenbar klug. Lord Blake hat allen Grund, glücklich über Euch als Braut zu sein.“ Lady Wildwood legte den Kopf schräg. „Die Frage ist, ob Ihr Euch ebenso glücklich schätzt, ihn zu heiraten? Denn ich bin sicher, dass Euer Vater lieber auf die Brautgabe verzichtet und die Hochzeit abbläst, als Euch unglücklich zu sehen.“
Seonaid dachte eingehend darüber nach. Sie hatte immer gewusst, dass sie Blake Sherwell heiraten würde, und dieses Wissen war Teil ihres Alltags geworden. So lange lebte sie schon damit, dass die Aussicht, ihn womöglich nicht zu heiraten, sie beinahe befremdete. Nach allem, was sie gehört hatte - abgesehen von den Schmähreden ihres Vaters, die er ohnehin zurückgenommen hatte -, war Sherwell ein vortrefflicher Mann: strebsam, ehrgeizig, ein guter Kämpfer und obendrein ansehnlich.
Auch was sie seit jenem Scharmützel in St. Simmian’s von ihm gesehen hatte, gefiel ihr. Sherwell schien kein bisschen grausam zu sein. Ein anderer Mann hätte sie nach dem Vorfall mit dem Eintopf vielleicht geschlagen, sobald er sie in der Scheune gestellt hatte. Dazu hätte er jedes Recht gehabt. Im Grunde hätte er noch ganz andere Dinge tun dürfen, als sie lediglich zu schlagen, ging ihr auf, und der Gedanke ließ sie zusammenfahren. Menschen zu vergiften war immerhin ein Vergehen. Sherwell aber hatte sie nicht geschlagen; ja er war nicht einmal gemein zu ihr gewesen. Und das, nachdem sie seine Geduld längst überstrapaziert hatte, indem sie ihm ständig davongelaufen war - und ihm nicht zuletzt zwischen die Beine getreten hatte, um ihn mithilfe ihres Fußes durch die Luft segeln zu lassen. In ihren Augen besaß er die Langmut eines Heiligen. Sie selbst hätte ihn sich ordentlich zur Brust genommen, hätte er dasselbe mit ihr gemacht. „Seonaid?“, hakte Lady Wildwood nach.
„Hm.“ Sie seufzte und begann, seine Tugenden aufzuzählen. „Er ist gescheit, gilt als guter Krieger, ist ehrgeizig und nachsichtig, und sein Aussehen gefällt mir.“
„Sein Aussehen gefällt Euch?“ Lady Wildwood zeigte den Anflug eines Lächelns.
„Er sieht gut aus“, erwiderte sie achselzuckend.
Die Dame biss sich auf die Unterlippe, nickte aber. „Aye, er ist sehr ... nun ... ansehnlich.“
„Gut gebaut obendrein“, beschied Seonaid ihr. „Er hat kräftige Muskeln an Schultern und Rücken, und auch seine Beine sind anständig. Und ich mag seinen Allerwertesten.“
Lady Wildwood blinzelte. „Verzeihung?“
„Seinen Allerwertesten“, wiederholte sie. „Viele Hinterteile habe ich noch nicht zu Gesicht bekommen, aber die, die ich gesehen habe, waren platt und schlaff. Seiner aber ist schön und rund und ... “ Sie brach ab, um Lady Wildwood auf den Rücken zu klopfen, da sie einen erstickten Laut von sich gegeben hatte und nun hustete. Schließlich ebbte der Anfall ab, und sie gab Seonaid mit einem Wink zu verstehen, dass es genug der Klopferei sei. „Geht es Euch gut?“, fragte Seonaid besorgt.
„Aye. “ Lady Wildwood nickte, war aber tiefrot geworden. „Ihr mögt ihn also, haltet ihn für ansehnlich und findet, dass er einen Wohlgestalten ... dass er wohlgestalte Körperteile hat“, rettete sie sich taktvoll. „Habe ich da ein ,aber‘ herausgehört?“
„Aye.“ Seonaid seufzte, ehe sie Sherwells einzigen Makel nannte. „Er hat eine gewaltige Lanze.“
Abermals überkam Lady Wildwood ein Hustenanfall. Elgin ebenfalls, wie Seonaid bemerkte. Irgendetwas musste in der Luft sein, mutmaßte sie, während sie der Dame erneut auf den Rücken klopfte.
„Alles in Ordnung, Ihr könnt aufhören.“ Aber Lady Wildwood klang gar nicht so, als sei alles in Ordnung mit ihr. Ihre Stimme war mehr ein Quieken, als sie fortfuhr. „Ich verstehe nicht ganz, inwiefern das gerade Angemerkte ein Problem darstellt, Kind.“
„Vielleicht war ich nicht deutlich genug“, meinte sie stirnrunzelnd. „Nach dem, was ich gesehen habe, ist der Mann übermäßig groß.“
„ Gesehen ?“
„Aye, als er im Fluss gebadet hat.“
„Und habt Ihr auch andere gesehen, sodass Ihr einen Vergleich ziehen könnt?“, fragte Lady Wildwood zaghaft.
„Dann und wann, wenn ich mit den
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