Das wilde Herz der Highlands
schob Helen und Aeldra vor sich her, ehe er sie weiter aushorchen konnte.
„Wohin gehen wir?“, fragte Aeldra, als sie auf den Hof traten.
„Keine Ahnung. Irgendwohin, wo wir ungestört reden können.“
„Das könnte schwierig werden. Wir werden verfolgt.“
„Aye, ich weiß. “ Sie hatte gemerkt, dass Sherwell ihnen auf den Fersen war. Als sie sich abermals umschaute, hatte sich Little George zu ihm gesellt. Wenn das so weiterging, würden sie bald einen Festzug anführen. Zum Reden würden sie so jedenfalls nicht kommen.
Jetzt fiel Seonaid auch wieder ein, dass Little George ebenfalls nicht mehr zu sehen gewesen war, als Aeldra aus Giorsals Hütte gestürmt und verschwunden war. Neugierig blickte sie ihre Cousine an. „Hat George Strohkopf dich behelligt, nachdem du heute Vormittag Giorsals Kate verlassen hast?“
„Little George“, stellte Aeldra richtig. Als Seonaid sie scharf ansah, errötete sie. Vor wenigen Tagen noch hatte ihre Cousine selbst ihm den Spitznamen gegeben, schien diesen nun allerdings nicht länger passend zu finden. Wie aufschlussreich.
„Er hat mich nicht behelligt“, fügte sie an, noch immer hochrot. „Er... Wir haben geredet. Er war sehr... ähm ... freundlich.“
Seonaid hob die Brauen. Nach Aeldras Gesichtsfarbe zu urteilen, war Little Georges Freundlichkeit nicht unähnlich der gewesen, die Sherwell ihr gegenüber an den Tag gelegt hatte. Bei der Erinnerung an den Kuss spürte sie, wie auch ihr das Blut in die Wangen schoss.
„Er ist der stärkste und zugleich sanfteste Mann, denn ich je getroffen habe“, erklärte Aeldra, und Seonaid starrte sie entsetzt an. Nie zuvor hatte sie die Cousine so über einen Mann sprechen hören. Sie klang ja beinahe vernarrt.
Als Aeldra ihre entgeisterte Miene bemerkte, wurden ihre Wangen noch dunkler. „Er ist nett“, wandte sie trotzig ein.
„Natürlich“, beeilte Seonaid sich zu sagen, war jedoch bestürzt, dass ihre zierliche Cousine dabei war, diesem Ungetüm zu verfallen. Wobei sie selbst Gefahr lief, sich in Sherwell zu verlieben. Jedenfalls ging ihr sein Kuss nicht mehr aus dem Sinn. Während Lady Wildwood ihr alles über das Brautbett erzählt hatte, das auf die Vermählung folgen würde, hatte Seonaid sich im Geiste Sherwell ausgemalt. Sie hatte ihn sich nackt vorgestellt und sich noch einmal in Erinnerung gerufen, wie sie in der Scheune an seine Brust geschmiegt dagelegen hatte. Er hatte einen Arm um sie geschlungen und eine ihrer Brüste umfasst. Und sie erinnerte sich daran, wie erregend die Berührung gewesen war; wie allmählich Verlangen in ihr aufgeflammt war; wie ...
„Seonaid!“
Sie wurde langsamer und sah sich um. Als sie Ian Mclnnes erblickte, hellte sich ihre Miene auf. Der gut aussehende dunkelhaarige Mann kam vom Kampfplatz zu ihr herüber. Er war der Sohn des nächsten Nachbarn der Dunbars und ungefähr in Duncans Alter. Zudem war er ein Freund, und Seonaid freute sich, ihn zu sehen.
„Ian.“ Sie lachte, als er sie an sich zog, hochhob und im Kreis herumwirbelte, ehe er sie wieder hinunterließ. Dasselbe tat er mit Aeldra. „Was machst du hier?“, wollte Seonaid wissen.
„Ich habe unsere Männer hergebracht, um zu helfen, diesen Greenweld niederzumachen“, erklärte er und fuhr grinsend fort: „Du weißt ja, dass ich keiner anständigen Schlacht aus dem Weg gehen kann. Nicht dass die gegen Greenweld den Namen verdient hätte.“ Er zuckte mit den Achseln. „Die meisten unserer Krieger habe ich nach Hause geschickt, nachdem das schlimmste Chaos beseitigt war, aber ich bleibe noch bis morgen. Mutter würde es mir verübeln, wenn ich ohne die ganze Geschichte heimzukehren wagte, und einige Teile muss ich noch in Erfahrung bringen. Duncan und dein Vater sind in ihre Gemächer verschwunden, als alles zu Ende war.“
Seonaid lächelte. „Ah.“ Dann bemerkte sie, wie er Helen anschaute. „Das ist Schwester Helen“, stellte sie vor. „Helen, das ist Ian Mclnnes, unser Nachbar und Freund.“
Die zwei begrüßten einander, und danach sah Ian erwartungsvoll von Seonaid zu Aeldra. „Seid ihr beiden zum Üben hergekommen? Ein wenig Ertüchtigung würde mir nicht schaden.“ Seonaid zögerte, aber als sie einen Blick über die Schulter warf und Sherwell und Little George, beide mit sturmumwölkter Miene, auf sich zustapfen sah, nickte sie entschieden. Muße für eine Unterhaltung wäre Aeldra, Helen und ihr ohnehin nicht vergönnt. Also würde sie mit den beiden wieder nach oben in ihr Gemach
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