Das wilde Herz der Highlands
hatte und eingeschlafen war. Als er sie nun mit dem Schwert üben sah, hätte er sie gerne hier und jetzt zu Boden gezogen und ...
„Verdammt“, murmelte er, angewidert von sich selbst. Er musste sie so bald wie möglich heiraten und ins Bett bekommen. Bis dahin würde er seine überschüssige Kraft anderweitig loswerden müssen. Also zog er sein Schwert und schritt auf den Übungsgrund.
Seonaid riss ihr Schwert hoch, um Ians nächsten Hieb abzuwehren, doch ihre Klinge traf auf eine andere, die plötzlich über der ihren auftauchte. Gereizt schaute sie zur Seite und starrte Sherwell überrascht an.
„Darf ich?“, fragte er höflich.
Breit grinsend senkte Ian seine Waffe, machte Platz und gesellte sich zu Helen.
Seonaid, die ihm nachgesehen hatte, richtete den Blick wieder auf Sherwell und riss jäh das Schwert hoch, um den ersten Schlag ihres Verlobten zu parieren. Danach richtete sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf das, was sie tat, und stellte fest, dass Sherwell stürmisches Vordringen sie rasch erschöpfte. Sie kannte Ian und wusste, was sie von ihm zu erwarten hatte. Mit ihm die Klinge zu kreuzen war ein angenehmer Zeitvertreib. Sherwell hingegen kannte sie nicht; und mit seiner Art zu kämpfen war sie nicht vertraut. Zudem hielt er sich nicht zurück, und da sie vollauf damit beschäftigt war, sich zu verteidigen, kam sie nicht zum Angriff.
Ihr schoss durch den Sinn, dass hier soeben ihr Tagtraum der vergangenen Jahre Wirklichkeit wurde. Schon nach wenigen Augenblicken jedoch wurde ihr das Schwert aus der Hand geschlagen, sodass sie Sherwells nächstem Hieb hilflos ausgeliefert war. Schreckensstarr sah sie die Klinge auf sich niederfahren und einen Fingerbreit vor ihrem Gesicht innehalten. In ihren Tagträumen waren sie einander im Kampf ebenbürtig gewesen, und manchmal hatte sie ihn gar besiegt. Nie aber hatte er gewonnen. Im wahren Leben allerdings ...
Verflucht, er hatte sie bezwungen, stellte sie erbost fest und kam zu dem Schluss, dass ihr der Tagtraum wesentlich besser gefiel.
„Ihr seid sehr gut mit dem Schwert, Seonaid.“ Sherwell bückte sich, um die Waffe aufzuheben, die er ihr aus der Hand geschlagen hatte. „Aber Ihr legt nicht genügend Kraft in Euren Vorstoß. Ihr lasst Euch vom Gegner lenken und verteidigt Euch lediglich. Anstatt darauf zu warten, dass der Gegner sich eine Blöße gibt und Ihr den vernichtenden Hieb anbringen könnt, solltet Ihr ihn lieber dazu zwingen, sich zu öffnen. Ansonsten droht Euch die Gefahr, dass der Gegner Euch auslaugt und so den Sieg davonträgt.“
„Das habe ich ihr jahrelang einzubläuen versucht, aber das Mädchen hört ja nicht“, verkündete Seonaids Vater. Erst jetzt bemerkte sie, dass er und einige andere sich versammelt hatten, um dem Kampf zuzuschauen. Es waren nicht eben wenige, bemerkte sie missmutig.
Sie verzog das Gesicht, nahm von Sherwell ihr Schwert entgegen und ging zu Helen und Aeldra.
„Du solltest dich zum Wohnturm begeben, Seonaid“, rief ihr Vater ihr nach.
„Dort wollte ich sowieso hin“, gab sie zurück.
„Lady Wildwood erwartet dich nämlich in deinem Gemach. Jetzt gleich.“
Sie blieb stehen und drehte sich um. „Weshalb?“, fragte sie wachsam.
„Der alte Sherwell hat uns Nachricht geschickt. Er ist krank und kann nicht kommen. Die Hochzeit findet in einer Stunde statt.“
11. Kapitel
Schaut nur. Ihr seht hinreißend aus, Kind.“
Seonaid blickte an sich hinab und zuckte zusammen. Es war ihre Hochzeitsnacht. Dieser Gedanke hatte sich in ihrem Kopf festgesetzt. Ihre Hochzeitsnacht. Nachdem sie so oft geflohen war und so hart gerungen hatte, um dieser Ehe zu entgehen, hatte sie sich letztendlich ohne den leisesten Protest zur Schlachtbank führen lassen. Das verwunderte sie selbst. Andererseits hatte sie auch kaum Gelegenheit gehabt, Widerstand zu leisten.
„Der alte Sherwell hat uns Nachricht geschickt. Er ist krank und kann nicht kommen. Die Hochzeit findet in einer Stunde statt“, hatte ihr Vater gesagt, ehe er zu ihr getreten war, um hinzuzufügen: „Ich weiß, dass ich dir diese Ehe in all den Jahren nicht eben schmackhaft gemacht habe. Ich war nicht gut auf den alten Sherwell zu sprechen, aber er ist ein anständiger Kerl und so auch sein Sohn. Blake wird dir ein guter Gemahl sein, und dies ist zu deinem eigenen Besten.“
„Was ist zu meinem Besten?“, hatte sie gefragt.
Statt zu antworten, hatte er einen Blick über die Schulter geworfen. „Gavin, nimm vier Männer, und geleite die Frauen
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