Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das wilde Leben

Das wilde Leben

Titel: Das wilde Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
Vom Netzwerk:
sie.
    Árendás nickte, schob den Umschlag, ohne den Inhalt geprüft zu haben, in seine Jackentasche, er spürte auch so, daß die Summe mehr oder weniger stimmte. Und das Benzin? Ohne Benzin ist nichts zu machen.
    Die Frau nahm den grauen Leinenrucksack von der Schulter, löste die Lederriemen und holte drei große Colaflaschen aus Plastik heraus, Zweiliterflaschen mit der trüben grünlichen Flüssigkeit, und reichte Árendás eine nach der anderen.
    Árendás stellte die Flaschen neben sich auf den Boden. Für etwa eine Viertelstunde wird's reichen, sagte er. Wenn Sie ihn in dieser Zeit nicht sehen, dann ist er endgültig gegangen. Wann hat sich der Todesfall ereignet?
    Das Gesicht der Frau zuckte, als sie das Datum nannte.
    Árendás nickte. Gut, sagte er. Die vierzig Tage sind noch längst nicht um. Er bückte sich und nahm die Flaschen,
eine schob er sich unter die Achsel, die beiden anderen hielt er in den Händen: Kommen Sie, helfen Sie mir, wir müssen den Generator auffüllen. Er ging nach hinten, dorthin, wo einst der Bunker in den Felsen einbetoniert gewesen war, bevor ihn die Bomben zerrissen hatten.
    Árendás schraubte die Tankkappe des Generators ab, nahm den Blechtrichter vom Bergsteigerhaken, der aus der Felswand ragte, steckte ihn in die Tanköffnung und begann, die erste Flasche Benzin einzufüllen.
    Ich sage es allen und jedem, sagte er und sog dabei den scharfen Benzingeruch tief ein, aber meist völlig vergeblich, denn wer einmal hier raufgekommen ist, macht in der Regel keinen Rückzieher mehr, egal, ich sage es allen und jedem, daß er es sich gut überlegen soll, ob er das wirklich will, er soll sich seine Fragen gut überlegen, denn die Toten lügen nicht.
    Die Frau nickte nur, nahm die dritte Colaflasche vom Boden, schraubte den Deckel ab und begann, das Benzin in den breiten Trichter zu gießen.
    Árendás zuckte die Achseln: Sie werden schon sehen. Er drehte den Deckel des Benzintanks wieder zu, riß an der Startschnur, der Generator sprang sofort an, die Ruinen der ehemaligen Betonwände warfen den Motorenlärm zurück und verstärkten ihn noch.
    Árendás geleitete die Frau zum Eingang des Radarraums, hob die an einem Lattenrahmen befestigte Zeltplane hoch und drehte am Lichtschalter. Das flackernde Licht der Zwanzigwattbirne vertrieb das Dunkel aus dem Raum. Árendás zeigte auf den Drehstuhl, gehen Sie hinein, sagte er, und setzen Sie sich dorthin, setzen Sie den Kopfhörer auf und lassen Sie den Bildschirm unter keinen Umständen aus
den Augen, und wenn Sie den sehen, den Sie suchen, sprechen Sie ins Mikrophon, der Apparat springt von allein an und schaltet sich dann selbsttätig wieder ab. Berühren Sie nicht die Gerätewand, sie funktioniert nicht. Er sprach sehr schnell, als hätte er diese Sätze schon tausendmal gesagt und sei ihrer überdrüssig. Er verstummte, blickte die Frau an: Haben Sie Fragen?
    Sie schüttelte den Kopf und starrte auf den großen runden Radarschirm, der das schwache Licht der Lampe schwarz zurückwarf, einmal grün aufblinkte und dann wieder dunkel wurde. Árendás trat aus der Türöffnung. Geht gleich los, sagte er und wartete, bis die Frau im Radarraum verschwunden war und ließ dann die Plane hinter ihr hinunter.
    Er ging langsam zum Teekocher zurück, ließ sich auf dem alten Eselsattel nieder, der ihm als Stuhl diente, lehnte sich mit dem Rücken gegen den flachen Felsen und zündete sich eine Zigarette an, die erste an diesem Tag; er blickte zum Himmel, der Generator dröhnte, und Árendás dachte an den großen runden, grün phosphoreszierenden Radarbildschirm, daran, wie es wohl gewesen war, als sein Lichtstrahl kreisend den Himmel abgesucht und die Jagdbomber in den Blick genommen hatte, den ganzen Luftverkehr, aber er konnte es sich nicht richtig vorstellen.
    Er blies den Rauch bedächtig aus, und als die Zigarette zu Ende war, schnippte er die Kippe weg und zündete sich eine neue an und betrachtete weiter den Himmel; der Wind trug den Geruch des Generators rasch fort, auch das Auspuffgas war nur schwach zu riechen, und Árendás fragte sich, ob es am Nachmittag ein Gewitter geben würde.
    Das rhythmische Knattern des Generators verlangsamte sich allmählich, Árendás legte die Zigarette auf den flachen
Stein, den er als Aschenbecher benutzte, griff zum Metallschränkchen, um die Papiertüte mit dem Stofftaschentuch herauszunehmen, der Generator ploppte ein letztes Mal und verstummte, Árendás hörte, wie die Frau im Radarraum laut heulte,

Weitere Kostenlose Bücher