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Das wilde Leben

Das wilde Leben

Titel: Das wilde Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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damals die Explosionen die Felsbrocken und Teile der Radarschirme in einen Schutthaufen verwandelt hatten.
    Mit schnellen Bewegungen lösten sich die Fallschirm
jäger aus ihren Haltegurten, und jetzt sah Árendás, daß es aus Tannenzweigen, Blumen und nationalfarbenen Bändern notdürftig geflochtene Kranzhälften waren, die sie um die Schultern trugen, die Männer legten die halben Kränze auf das Geröll, und als Árendás näher trat, stellte er fest, daß die Tannenzweige und auch die roten und weißen Nelken aus Plastik waren. Die halbierten Kränze passen genau zusammen, dachte er, doch ein Halbkranz fehlt. Árendás blickte die Fallschirmjäger an: Das dürfte ein kleines Problem geben, sagte er mit einem Lächeln.
    Unterdessen hatten die Männer ihre Fallschirme abgelegt, rollten sie jedoch nicht auf, sie redeten laut schreiend miteinander, von ihrem Gespräch verstand Árendás kein Wort, dann deutete der eine Soldat zur Felsenspitze, worauf die anderen drei im Seitwärtsgang die Geröllhalde umrundeten, der vierte trat zu Árendás, nahm den Helm ab und fragte ihn etwas, was Árendás ebenfalls nicht verstand. Mir können Sie viel erzählen, sagte er, ich verstehe kein Wort.
    Da fragte der Fallschirmjäger endlich auf ungarisch: Was denn, sind Sie etwa nicht Hauptmann Drimbman?
    Árendás versuchte vergeblich, ernst zu bleiben, er mußte lächeln. Sehe ich etwa aus wie ein Hauptmann?, fragte er und las auch gleich die Antwort im Gesicht des Fallschirmjägers. Na also, sagte er und reichte dem Soldaten die Schnapsflasche, bitte schön, sagte er, wie Sie sehen, weiß ich, wie man Gäste empfängt.
    Wir haben wieder einmal falsche Koordinaten erhalten, sagte der Fallschirmjäger kopfschüttelnd, und sein Blick blieb an der zugekorkten Flasche hängen, er zögerte, dann entschied er sich doch und nahm sie Árendás aus der Hand, zog den Korken heraus, trank einen großen Schluck und
ließ die Flasche sinken. Wir sind wegen der feierlichen Einweihung der Radarstation G26-X gesprungen, erklärte er, das Objekt wird anläßlich des einjährigen Jubiläums der Nato-Mitgliedschaft vom Verteidigungsminister persönlich eingeweiht, im Beisein ranghoher Nato-Generäle, gemeinsam werden sie am Denkmal der Vaterlandsverteidiger Kränze niederlegen, sagte er, und wir – er verstummte und machte eine Kopfbewegung in Richtung Plastikkränze –, und wir sollten die Kränze abliefern. Er spuckte aus und gab Árendás die Flasche zurück.
    Árendás nickte, Irrtum, sagte er, das hier ist die alte Radarstation, und deutete mit dem Kopf zum Radarraum mit der grünen Zeltplane am Eingang, das ist alles, was nach der Bombardierung vor fünf Jahren übriggeblieben ist.
    Perfekt, sagte der Soldat, er sah aus, als wollte er noch etwas sagen, vom Felsgeröll her ertönten Rufe, Árendás drehte sich um, einer der Soldaten stieg gerade über eine Eisenbetonsäule, die vor langer Zeit umgekippt war, die beiden anderen tauchten ebenfalls auf, sie trugen den vierten, der erste rief ihnen etwas zu, woraufhin der Soldat neben Árendás zu fluchen anfing, was Árendás schon halbwegs verstand. Was ist passiert, fragte er, gibt es ein Problem?
    Sie sagen, ein Eisenteil hat seinen Schenkel durchbohrt. Der Soldat entriß Árendás die Schnapsflasche abermals, nahm einen Schluck und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Gott kann sich dieses Manöver sonstwohin stecken, sagte er, drückte Árendás die Flasche in die Hand und ging zu den anderen.
    Der Verletzte wurde vor dem Eingang des Radarraums auf die Erde gelegt, er mochte höchstens zwanzig Jahre alt sein, Árendás sah, daß seine Hose unter dem Verband am
Oberschenkel voller Blut war, sein Gesicht aschgrau vor Schmerz, auf seiner Haut glänzten stecknadelgroße Schweißperlen, er war kaum noch bei sich.
    Árendás sah den Kommandanten an. Das sieht nicht gut aus, sagte er. Wenn er binnen weniger Stunden kein Blut bekommt, ist es aus mit ihm.
    Der Kommandant nickte. Die Jungs haben bereits mit der Basis gesprochen, zwanzig Minuten, und der Helikopter ist da, sagte er.
    Árendás schüttelte den Kopf. Hier kann kein Helikopter landen, sagte er, er wird abstürzen.
    Klar stürzt er ab, sagte der Kommandant und spuckte aus, Sie müssen es ja wissen.
    Árendás zuckte die Achseln. Wenn Sie nicht wollen, brauchen Sie es nicht zu glauben, sagte er, aber ich habe es geträumt.
    Der Verletzte öffnete die Augen und blickte ihn an, Árendás hatte noch nie so tiefblaue Augen

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