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Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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bewunderten sie mich wegen meines coolen Outfits? Mir fiel etwas ein, was ich schon mal in Leipzig mit Andi gemacht hatte. »Wisst ihr, ich spiele Gitarre in einer Band, die bald jede Woche in der BRAVO ein  Poster haben wird. Aber bis dahin brauche ich noch dringend etwas Ruhe. Wäre das machbar?« Na ja, in Leipzig hatten wir nicht BRAVO, sondern Neues Leben gesagt, aber die Wirkung war ähnlich wie jetzt.
    »’ne Band in der BRAVO? Cool, Mann. Wie heißt ihr denn?« Die beiden bekamen große Augen.
    »Sorry, das ist noch geheim. Die Plattenfirma hat gesagt, dass ich nicht darüber sprechen darf. Aber im Januar solltet ihr schon mal euer Taschengeld sparen für das Heft.« Sie glotzten mich an, als wenn Michael Jackson vor ihnen stehen würde. »Na dann, Jungs, einen schönen Tag euch noch. Ich muss dann mal. Meine Limousine wartet.«
    Ich ließ die beiden stehen und lief langsam zurück.

7. This Weel’s on Fire
    »Willst du wirklich zu Weihnachten nicht nach Hause kommen? Dich werden schon nicht die Feldjäger abholen«, sagte meine Mutter leicht pikiert am Telefon.
    Es war der 23. Dezember, und ich hatte schon vor vierzehn Tagen angekündigt, dass das nicht ginge, weil ich Bereitschaftsdienst für die Heizanlage der Gärtnerei hätte. Außerdem klapperte irgendwas unterm Warti, und es wurde von Tag zu Tag lauter. Na ja, und wegen der Feldjäger hatte ich auch Schiss. Schließlich gab es die NVA drüben noch.
    »Nein Mutti, außerdem liegt hier schon Schnee. Auf den Bahnhöfen ist auch das totale Chaos. Alles voller Ostdeutscher. Das lohnt doch gar nicht für die paar Stunden«, antwortete ich geduldig. »Außerdem habt ihr dann mehr Platz für Tante Barbara und ihren Mann.« Zu Weihnachten kamen jedes Jahr gefühlte einhundert Familienmitglieder nach Grünau in unsere winzige Wohnung, und mir gefiel der Gedanke, diesmal dem Schauspiel aus erzwungener Weihnachtsstimmung und organisiertem Durcheinander zu entkommen. »Ich treffe mich morgen Abend mit Andi und Katrin, und wir feiern zusammen. Nächstes Jahr komme ich wieder zu euch. Versprochen. Habt ihr schon mein Paket bekommen?«, lenkte ich vom Thema ab.
    »Ja, vielen Dank, mein Junge. Das wär doch aber nicht nötig gewesen. Du brauchst bestimmt selbst das Geld.«
    »Keine Sorge, Mutti, das passt schon. Ich habe doch einen Job. Grüß Vati und den Rest der Familie. Frohe Weihnachten!«
    Bei Katrin und Andi stand ein kleiner, geschmückter Plastiktannenbaum im Wohnzimmer. Andi hielt mir zwei Videokassetten entgegen, »Ghostbusters« und »Zurück in die Zukunft«. »Womit fangen wir an?«, fragte er, und ich zeigte auf ersteren.
    »Ich würde lieber den anderen zuerst gucken«, sagte Katrin, die gerade mit drei Tiefkühlpizzas ins Wohnzimmer kam.
    Andi schaute mich an: »Ist doch egal, oder?«, und schob Zurück in die Zukunft in den Videoplayer.
    Ich setzte mich auf einen Stuhl, den ich mir aus der Küche geholt hatte und öffnete mein Bier. Andi und Katrin nahmen auf der Couch platz.
    »Fröhliche Weihnachten, mein Schatz«, flötete Andi Katrin ins Ohr und gab ihr ein Küsschen auf die Wange, die sie ihm erwartungsvoll hingehalten hatte. »Hast du schon die Kette gesehen, die ich Katrin geschenkt habe?«, fragte er mich, während der Vorspann des Filmes losging. Ich warf einen flüchtigen Blick auf Katrins Hals mit dem goldenen Ding drumherum und nickte stumm, da ich den Mund voller Pizza hatte. »War nicht billig«, erklärte Andi.
    »Du sagst doch immer, dass man hier in der Autobranche gut verdient«, warf Katrin ein und gab Andi ein Bussi auf die Wange. Und dann zu mir gewandt: »Vielleicht solltestdu auch mal versuchen, dort unterzukommen. Da verdienste bestimmt mehr als mit deinen Blumen.«
    Andi schaute zu mir rüber und nickte und kaute.
    Was hatte Katrin nur mit ihm gemacht? Gab es für so was hier Medikamente? Seit Jahren schenkte er nicht mal seiner Mutter was zu Weihnachten. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Andi zu Thomas Anders mutierte und Katrin seine Nora war. Oder gleich Yoko Ono. Yoko Katrin Ono – das Ende aller Musikerfreundschaften. Vielleicht hätte ich doch zu meinen Eltern fahren sollen.
    Das neue Jahr war schon einige Wochen alt. Ich hatte zwei Monatsgehälter auf dem Konto, zumindest das, was davon übriggeblieben war, und wollte die Sache mit einem neuen Auto endlich in Angriff nehmen. Der Warti erinnerte mich ständig an Grünau, und alle erkannten mich darin als Ostdeutschen. Aber ich war keiner mehr, das stand sogar in

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