Das wird mein Jahr
macht nix. Da biete ich dir eine Top-Ratenzahlung an. Toll, nicht? Oder haste ’nen guten Dispo?« Jens drehte sich zu Andi um und sagte: »Los Kleener, der Wagen muss heute noch fertigwerden. Und auch der Kadett hinten. Marsch, Marsch!« Er klatschte in die Hände.
»Wir telefonieren.« Andi warf seine Zigarette auf den Boden und ging zurück zu seinem Staubsauger.
»Ich muss dann auch mal wieder. Ruf mich an, wenn du einen Bus für mich hast.« Ich schrieb Jens meine Telefonnummer auf.
»Mach ich, Blume. Keine Sorge, das klappt schon. Für Bekannte gibt es einen Sonderpreis. Versprochen.«
Auf dem Rückweg nach Hause hielt ich noch kurz an der Tankstelle neben der Gärtnerei. Ich war gerade mit dem Luftdruck meiner Reifen beschäftigt, als zwei Fahrräder neben mir hielten. Oh nein, nicht die wieder.
»Ist das etwa deine Limousine?«, frage eine Stimme.Oh doch: Es waren die beiden Teenies, die ich neulich auf meinem Spaziergang getroffen hatte.
Ich drehte mich halb zu ihnen um. »Das ist ein sauteurer Oldtimer. Der ist mindestens so selten, wie ein Porsche 901 aus den frühen Sechzigern. Versteht ihr? Der muss nur mal generalüberholt werden.«
»Wir haben dich gar nicht in der BRAVO gesehen«, sagte die Brille und ich überlegte, ob seine Stimme enttäuscht oder herausfordernd klang.
Ich hatte noch einen Reifen zu kontrollieren und wollte nach Hause und nicht mit diesen Kindern hier meinen Tag verquatschen. »Eure Eltern erlauben euch schon, so eine Zeitschrift zu lesen? Seid ihr dafür nicht zu jung? Lest doch lieber die Micky Maus.«
Jetzt sah man Brille an, dass er herausfordernd gefragt hatte: »Ich glaube, du bist einer von den Russlanddeutschen, die jetzt zu uns kommen. Schon so wie du rumläufst. Hat mein Vater gesagt.«
»Na, dann passt auf, dass ich keine Kalaschnikow auf dem Rücksitz habe und schlechte Laune bekomme. Da sind schon ganz schlimme Unfälle passiert«, sagte ich ruhig, stieg in meinen Warti und fuhr davon.
Etwa drei Wochen waren seit meinem Besuch bei »Gebrauchtwagen Wuttke GbR« vergangen, als eines Nachmittags Jens anrief und sagte, er hätte was für mich. Ich ließ alles stehen und liegen und fuhr rüber.
Susi kläffte mich gewohnheitsgemäß an, und Jens pfiff sie zurück. Doch mir war beides egal, denn ich hatte nur Augen für ihn: den roten Campingbus.
So schnell können hier Wünsche in Erfüllung gehen? Da stand er: mein Traum, meine Begierde – der Inbegriff des paradiesischen Westens. Ich glaubte Geigen spielen zu hören, als ich mit Jens um den Wagen schritt, aber vielleicht benutzte irgendwo auch jemand eine Flex.
Jens spulte unterdessen die technischen Daten runter: »Also, Blume, das ist er. VW T3, Westfalia-Ausbau mit Aufstelldach, Erstzulassung März 1980, eins-sechser Diesel-Maschine mit 50 PS. 130.000 gefahrene Kilometer.« Er öffnete die Schiebetür und ein engelsgleiches Licht blendete mich geradezu, als ich die Inneneinrichtung sah. Möbel mit milchkaffeefarbener Holzdekorfolie, die mich fast ein bisschen an die Schrankwand meiner Eltern erinnerte. Hier war ich zu Hause.
»Zur Inneneinrichtung.« Er machte eine Handbewegung, die mich zum Sitzen auf der Rückbank aufforderte. Ich nahm sprachlos Platz und bestaunte die vielen kleinen Türchen und Staufächer in den Einbauschränken. »Hier ist der zweiflammige Gasherd mit kleiner Spüle, dort der Kühlschrank«, erklärte Jens. Dann öffnete er das Aufstelldach, und im Nu verwandelte sich der Bus in eine geräumige kleine Ferienwohnung aus der ich nie, nie wieder ausziehen wollte. »Na, Blume, willste mal ’ne Probefahrt machen?«
Ich konnte nur stumm nicken, und er drückte mir die Schlüssel in die Hand.
Der Sitz war gefedert wie ein Fernsehsessel und hatte links und rechts sogar verstellbare Armlehnen. Das Lenkrad war größer als das beim Warti und auch viel griffiger. Und erst die Aussicht! Man schaute auf alle anderen Autos hinunter oder gleich über sie hinweg. Der Dieselmotortuckerte gleichmäßig und klang wie Musik in meinen Ohren. Ich schaltete das Radio an, und eine sanfte Moderatorenstimme wünschte mir und allen Hörern einen wunderschönen Tag. In Stereo.
»Was soll denn dieses Juwel hier kosten?«, waren die ersten Worte, die ich Jens gegenüber herausbrachte, nachdem ich eine kleine Runde mit dem Bus gedreht hatte. Immer noch hörte ich Streichmusik.
»Wenn ich den vorne in den Verkauf stellen würde, käme da ein Schild mit ›12.000 DM‹ ran.« Die Geigen verstummten
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