Das wird mein Jahr
schlagartig. »Und da hast du noch Glück, denn wenn die Urlaubssaison wieder losgeht, steigen die Wohnmobile wieder im Preis.« Ich glaube, ich schaute ihn an wie ein Kind, dem man den Teddy wegnehmen wollte. »Aber …«, Jens machte eine bedeutungsvolle Pause, »… wir kennen uns ja. Das heißt, wenn du mir zehntausend bar auf den Tisch blätterst, ist er deiner.« Ich blickte ihn immer noch mit versteinerter Miene an. »Oder fragen wir mal anders: Wieviel hast du denn aktuell zur Verfügung.«
»Na ja, ich habe knapp dreitausend D-Mark aufm Konto.«
Jens lachte kurz auf. »Tja, Blume, dafür gäbe es nur den Golf da drüben, Baujahr 1978. Ist auch ein super Auto. Und auch ein Volkswagen.« Er schaute mich an, als wäre ich sein kleiner Bruder. »Spaß beiseite Blume. Machen wir halt ’ne Ratenzahlung. Das heißt, du zahlst dreitausend an, viertausend wären noch besser, und dann eine monatliche Summe. Wir müssten uns nur über die Laufzeit verständigen. Da kommen dann noch ein paar Zinsen dazu.« Ich stand stumm da und schaute auf den Bus. »Das ist ganz einfach,Blume. Das machen hier alle. Selbst Andi muss monatlich seinen Fiesta abzahlen, bis 1993.« Jens winkte mich in seinen Bürocontainer. Ich folgte stumm, und wir setzten uns. An der Wand hingen Wimpel von Bayern München und den Stuttgarter Kickers.
»Da fällt mir ein: Blume, du bist doch Gärtner. Ich könnte dir noch einen gutbezahlten Nebenjob vermitteln. Da wird sich mal jemand melden.«
Als er danach fragte: »Was ist nun mit dem Bus?«, hatte ich bereits den Kugelschreiber in die Hand genommen.
8. Crushed
»Ist das dein Bus da draußen?«, fragte mich Ali, während er Coladosen in den Kühlschrank stapelte.
Ich hatte den Mund voller Essen. »Seit vier Wochen«, sagte ich kauend. Durch das große Schaufenster blickte ich auf meinen parkenden Campingbus. Das würde ein Sommer werden! Ich könnte im Mittelmeer baden oder im Atlantik und auf den Zeltplätzen viele schöne Mädels kennenlernen. Jetzt musste ich mir nur noch das Spritgeld erarbeiten.
»Respekt, Mann!«, rief Ali. »Bei dir geht es voran. Als was arbeitest du eigentlich?«
»Gärtner«, kam undeutlich aus meinem halbvollen Mund.
»Gärtner? Verdient man damit was?« Ali schaute zweifelnd.
»Geht so«, antwortete ich. »Und bei dir hier?«
»Für meine Familie und mich reicht es.« Ali hatte eine Palette Bierdosen aufgerissen und stellte sie ebenfalls in den Kühlschrank. »Deinen Bus musst du immer schön pflegen, das ist ein Schmuckstück. Mein Vater arbeitet bei Daimler drüben in Untertürkheim. Als meine Eltern vor zwanzig Jahren nach Deutschland kamen, dachte mein Vater, Untertürkheimwürde wegen der vielen Gastarbeiter so heißen.« Ali musste lachen und ging wieder hinter seinen Tresen. »Du musst dein Auto immer putzen, sonst sehen dich die Leute schief an. Kollege, wenn du hier dazugehören willst, muss dein Auto immer tipptopp sauber sein.«
In diesem Moment kam ein Typ rein, den ich klamottenmäßig als Hip-Hopper einstufte, und zwar im XXL-Format. Alles an ihm wirkte zwei Nummern zu groß: Die Klamotten, die goldene Kette um seinen Hals, die Hände, der Oberkörper.
Er schaute sich im Raum um und das nicht gerade freundlich. »Bist du Blume?«, sprach er mich plötzlich an. Oh Scheiße, was wird das jetzt?
Ich versuchte, so unbeteiligt wie möglich zu schauen. Woher kannte der meinen Spitznamen? »Worum geht’s denn?«, fragte ich erst mal betont harmlos zurück.
»Jens wird dir von mir erzählt haben. Du bist doch der Gärtner.«
»Ach ja, genau.« Ich erinnerte mich. Es wollte sich ein Typ bei mir melden, hatte Jens doch beim Bus-Kauf gesagt.
»Hast du einen Moment Zeit?« Der Typ wartete nicht meine Antwort ab und setzte sich mir gegenüber an den Tisch. Er beugte sich verschwörerisch vor und begann mit gedämpfter Stimme zu sprechen: »Also, Blume, nenn mich Double Trouble. Es geht um deine Skills. Könntest du mal einen Blick auf den Shit werfen?« Er legte eine Aldi-Tüte auf den Tisch, öffnete sie und zeigte mir den Inhalt, ohne ihn herauszunehmen.
»Ah, Cannabis sativa, oder so ähnlich«, sagte ich nach einem ersten Hineinsehen und kam mir mit meinem Gärtnerlateinmächtig gut vor. Vor mir saß offenbar einer der einheimischen Nachwuchsdrogendealer. Ich schaute in der Tüte auf einige gelbe Blätter und Stängel junger Hanfpflanzen, griff mir eine Handvoll heraus und begutachtete sie. »So richtig gesund sehen die aber nicht aus«, sagte ich
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