Das wird mein Jahr
war es eine verbotene Sache. Aber meinJob wäre ja nur ein bisschen rumzugärtnern. Alles weitere ginge mich nichts an.
Double Trouble schien meine Bedenken zu erahnen: »Weißt du, das Zeug ist nicht gefährlicher als Alkohol oder Nikotin. Hier geht gerade Hip-Hop-mäßig einiges ab, und für gute Vibes braucht man gutes Gras. Na, und die ganzen Studi-Fuzzis wollen auch was zu rauchen. Es ist immer so kompliziert, den Shit aus Holland zu holen, und da dachte ich mir, warum nicht selber was anbauen. Homegrowing, verstehst du? Hier geht es nicht um Koks oder Heroin, sondern nur um eine alte Kulturpflanze. In Holland kannst du das ganz normal in den Coffeeshops kaufen. Hier in Deutschland wird das bestimmt auch bald so sein. Und bis dahin kann man sich ja schon mal einen Platz an der Sonne erarbeiten, verstehst du, Homie? Steuerfreies Geld. Du und ich.«
»Na ja, ich könnte es ja mal versuchen«, gab ich schließlich nach. »Aber das würde ein paar Monate dauern, bis es was zu ernten gibt. Woher bekomme ich das Saatgut?«
»Kein Problem, Homie. Ich hab feinste Skunksamen. Pass aber darauf auf, die waren teuer.« Double Trouble schob mir einen kleinen Umschlag rüber. »Vielleicht kannst du auch das hier gebrauchen. Ich bin bislang nicht dazu gekommen es durchzulesen.« Er legte ein Buch über Hanfanbau auf den Tisch. Ich nickte und steckte alles ein.
Double Trouble stand auf, klopfte mir kumpelhaft auf den Rücken und reichte mir eine Visitenkarte. »Hier meine Telefonnummer.« Sie war von Hand draufgeschrieben worden und erinnerte an die Tags und Graffitis, die man an vielen Häuserwänden in Stuttgart sehen konnte. Ich hatteMühe die verschnörkelten Zahlen zu entziffern. »Ruf mich an, wenn du was für mich hast. Also, keep it real, Homie.«
»Ja, tschüss. Ich melde mich.«
Noch in der Nacht las ich das Buch durch, in dem irgendwelche durchgeknallten Hippies ihr jahrelang aufgehäuftes Wissen über den Hanfanbau niedergeschrieben hatten. Und: Es weckte meine Abenteuerlust. So was bekam ich als Facharbeiter doch erst recht hin!
Den folgenden Nachmittag verbrachte ich auf meinem Dachboden. Zunächst überlegte ich, wo die Blumentöpfe platziert werden müssten. Eine etwa fünfzehn Quadratmeter große Bodenkammer schien ideal. Vor allem aber bräuchte ich hier oben einen Wasseranschluss, damit ich nicht ständig mit den schweren Gießkannen die steile Treppe hoch und runter laufen müsste, denn Hanfpflanzen waren sehr durstig. In meiner Küche befand sich ein Anschluss für eine Geschirrspülmaschine, den ich nicht brauchte – perfekt. Als alle vom Gärtnereigelände verschwunden waren, nahm ich unten aus der Garage einen Wasserschlauch mit Ventil, den ich zwischen Küche und Dachboden verlegte. Ich befestigte ihn an der Scheuerleiste im Flur, die Bodentreppe hoch bis in die Mitte des Raumes.
Blumentöpfe gab es hier in Massen, aber meist nur kleine. Ich kramte alte Eimer aus einem Schuppen und versah sie unten mit einem Loch, damit das überschüssige Wasser abfließen konnte. Den Fußboden legte ich mit einer Plane aus. Anschließend holte ich mir die beste Erde aus unserer Kompostecke.Nach etwa drei Wochen topfte ich um. In einem Schuppen neben den Gewächshäusern entdeckte ich vier nicht benutzte Gro-Lux-Lampen mit stolzen 400 Watt und platzierte sie mittels gespannter Drahtseile aus dem Baumarkt genau über den Pflanzenkübeln. Mit einem hinter dem Fallrohr der Dachrinne verlegten Verlängerungskabel zog ich mir einen Teil des Stromes aus einer Garage, damit nicht alles über meinen Stromzähler lief. Die beiden Bodenfenster im Raum wurden mit Pappe verdunkelt, damit ich die Lichtzufuhr selber kontrollieren konnte. Die ersten Wochen stellte ich mir immer einen Wecker, um die in dem Buch angegebenen Lichtzeiten genau einzuhalten. Später entdeckte ich dafür im Baumarkt Zeitschaltuhren. Trotzdem musste ich täglich gießen und nachschauen, ob sich erkennen lässt, welche Pflanzen männlich sind. Denn männliche Pflanzen versauten einem die weiblichen Blüten und den THC-Gehalt. Gras war also mehr so eine feminine Angelegenheit.
Ich fand das alles ganz schön cool.
9. Shine on
Frühling lag in der Luft. Heute fuhr ich nach Stuttgart in die »Alte Fleischerei« – einen kleinen Club, in dem ein Konzert stattfinden sollte. Bei Ali im Laden hatte ich letzte Woche auf dem Zigarettenautomaten ein paar kopierte Flyer gefunden. Von den Bands kannte ich nicht eine, aber die Ankündigung »100% Independent
Weitere Kostenlose Bücher