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Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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Music« hatte mich neugierig gemacht. Und Andi wollte auch kommen, hatte er am Telefon jedenfalls gesagt. Die letzten beiden Male, wo ich ihn zum Biertrinken überreden wollte, konnte er nicht, weil er schon Katrin versprochen hatte, mit ihr Videos zu gucken. Seit einem knappen halben Jahr lebte ich hier, doch nicht einen einzigen Abend hatte ich mit Andi verbracht, an dem es so wie früher gewesen war.
    In Leipzig hatten wir uns an jedem Wochenende meist schon nachmittags getroffen und entweder Kindertrickfilme im West-Fernsehen geschaut oder waren bei schönem Wetter zum Cliquentreff vor die Rakete gefahren. Freitagabend versuchten wir manchmal zur überfüllten Disco ins »Haus Auensee« im Norden von Leipzig zu kommen. »Weil da so viele Mädels hingehen«, wie Andi immer antwortete, wenn ich fragte, warum wir uns an die endlos lange Schlange vor dem Eingang stellen sollten. Wir kamen uns dort zwischenden ganzen Stinos immer vor wie Exoten. Nach einer halben Stunde Warten hatten wir meist keinen Bock mehr und fuhren in die Rakete zu den anderen Kumpels. Manchmal nahmen wir ein paar Mädels aus der Schlange mit. »He, wir fahren rüber nach Grünau in einen Schuppen, wo wir den Einlass kennen.« Es war die perfekte Anmache. Jetzt glaubte ich, dass Andi und ich früher nur so viel Zeit miteinander verbrachten, weil keiner von uns eine feste Freundin hatte. Mit Yoko Katrin Ono an seiner Seite war alles anders geworden. In Grünau hatte ich sie für eine coole New-Waverin gehalten, aber dieser Lebensabschnitt war für Katrin offensichtlich Geschichte. Vielleicht verstanden die beiden das unter »Erwachsenwerden«.
    Für einundzwanzig Uhr war ich mit Andi vor dem Club verabredet. Er kam mit einer halben Stunde Verspätung, obwohl der Laden kaum einen Kilometer von seiner Wohnung entfernt lag. Katrin hatte er im Schlepptau, und ich wusste sofort, dass der Abend gelaufen war. Ihrem Gesicht konnte ich ansehen, dass sie keinen Bock hatte hier zu sein, aber aus irgendeinem Grund war sie nicht zu Hause vor der Glotze geblieben.
    Andi hob die Hand lässig zum Gruß. »Mensch, bin ich müde von der Arbeit. Geld verdienen macht durstig. Wo gibt’s das Bier?«
    »Ob man in dem Laden überhaupt einen Gin-Tonic kriegt?«, fragte Katrin, während sie das Publikum abschätzig musterte, das mit uns auf dem Fußweg stand. Es war eine bunte Mischung aus Leuten in unserem Alter, aber auch Mittzwanziger, einige mit schwarzen New-Wave-Klamotten, andere eher punkig angezogen oder einfach nur inJeans und T-Shirts, bedruckt mit den Namen der Lieblingsbands. Das war dann wohl meine Fraktion, denn ich trug ein weißes Shirt von The Smiths mit dem Cover der »The Queen Is Dead«-Scheibe drauf, das ich mir letzte Woche gekauft hatte. Überall blickte man auf Doc Martens. Ich hatte meine extra geputzt. Man musste dabei immer tierisch aufpassen, damit die schwarze Schuhcreme nicht auf die gelben Nähte an der Sohle kam. Andi trug Cowboy-Stiefel.
    Die »Fleischerei« war gut gefüllt, was nicht so schwer war, denn mehr als fünfzig, sechzig Leute passten da eh nicht rein. Reichlich Zigarettenqualm machte Trockeneisnebel überflüssig. Eine alte Ladentheke diente als Tresen hinter dem Flaschenbier und Cola in Plastikbechern verkauft wurden. Eine Tafel, auf der ganz oben »Der Fleischermeister empfiehlt« stand, informierte über die Getränkepreise. Wir lehnten weiter hinten im Dunkeln an einer gefliesten Wand, an der schon die eine oder andere Kachel fehlte. Die Bühne war aus Europaletten und Bierkästen zusammengebaut worden. Auf ihr spielte gerade die erste Band. »Futureweekend«, wie sie sich angekündigt hatten.
    Schon ihr Outfit gefiel mir. Alle trugen nicht mehr ganz weiße Turnschuhe und ausgewaschene Jeans. Der Gitarrist hatte ein schwarzes Polohemd und eine alte blaue Adidas-Trainingsjacke an, der Drummer ein T-Shirt von den Wipers und der Bassist ein schwarzes Kapuzensweatshirt. Sie klangen nach Dinosaur Jr. und Sonic Youth. Während ich ihnen beim Spielen zusah, bekam ich Lust, zu Hause mal wieder meine E-Gitarre auszupacken. Aber so ganz alleine vor sich hin klimpern?
    »Die Band ist gut«, sagte ich zu Andi, und er nickte kurz.
    »Und, warst du mit deinem Bus schon auf großer Fahrt?«, fragte er mich.
    »Noch nicht. Ich kriege jetzt noch keinen Urlaub, wird wohl Spätsommer werden. Aber dann …«
    »Katrin und ich fahren im Juli vierzehn Tage an den Balaton. Diesmal natürlich ins Hotel. Ist jetzt schön billig für uns.«
    »Ich

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