Das wird mein Jahr
will lieber in den Süden, Italien oder so. Mal sehen. Steht noch nix fest.«
Das Konzert war wirklich gut. Ob ich Andi noch mal wegen The Innocent Disco ansprechen sollte? Meine anfängliche Hoffung, hier in Stuttgart könnte die Sache mit unserer Band endlich weitergehen, schien sich in Luft aufzulösen. »Vielleicht in einem halben Jahr«, hatte er im Dezember gesagt. »Erst mal Kohle verdienen.« Aber ich glaubte langsam nicht mehr daran und schwieg.
Noch bevor die letzte Band zu Ende gespielt hatte, verabschiedeten sich die beiden. Katrin war müde, und Andi müsse morgen zeitig zur Arbeit, wie er sagte. »Na dann, bis zum nächsten Mal.« Oder so.
Neben mich stellten sich zwei junge Frauen, beide mit langen dunkelblonden Haaren. Die eine sah aus wie ein Covermodel des BRAVO-Girl-Magazins: blaue Jeansjacke, darunter ein gemustertes Kleid und rote Stoffturnschuhe, dezent geschminkt und ein unschuldiger porzelanpuppenhafter Gesichtsausdruck. So hatte ich mir immer die Stino-Mädels im Westen vorgestellt. Mich wunderte, dass sie in so einen Club ging. Eigentlich wäre sie mehr was füreinen Zahnarztsohn, der mit dem Cabrio seines Vaters an den Wochenenden durch die Schickimicki-Discos zog. Unsere Blicke trafen sich kurz, dann schaute sie wieder zur Bühne. An ihren Ohren hingen große silberne Kreolen, wie bei Sade, bei deren Musik man so schön knutschen konnte. Wie hatte ich das eigentlich in der Rakete immer mit dem Anbaggern gemacht? Bestimmt fiel es mir gleich wieder ein.
Das Konzert war zu Ende. Ich lehnte mich draußen an die Hauswand und trank von meinem Bier. Ein schon älterer und etwas angetrunkener Punk mit herabhängendem Iro und abgewetzter Lederjacke, auf deren Rückteil groß der schon leicht abgeblätterte Schriftzug der Punkband »The Exploited« stand, sammelte alle herrenlosen Flaschen vor dem Laden ein. Von dem Pfand kaufte er sich vermutlich neues Bier. Sein Hund, eine Promenadenmischung aus Spitz und Schäferhund oder so was, wich ihm nicht von der Seite. Ich hatte mich hier platziert, um vielleicht noch einen Blick auf das BRAVO-Girl-Model zu erhaschen, aber sie war offenbar schon gegangen. Dafür entdeckte ich Double Trouble, der gerade aus der Fleischerei kam.
»Hi Homie, alles klar?«, begrüßte er mich mit einem etwas seltsamen Handschlag, so als würde ich zu seiner Hip-Hop-Gang gehören.
»Das ist doch hier gar nicht deine Musik«, sagte ich zu ihm.
»Aber meine Kundschaft«, raunte er mir zu. »Apropos – gut, dass ich dich treffe: Was machen die Pflanzen?«
»Wachsen und gedeihen. Ich denke, im Juni kann ich die erste Ernte liefern.«
»Das wäre super, Homie. Ruf mich an.« Double Trouble wiederholte den Handschlag von eben, schlenderte lässig zu seinem schwarzen Mercedes und fuhr davon.
Die drei Typen von Futureweekend verstauten gerade ihre Instrumente in einem rostigen Ford Granada Kombi. Der Fußweg leerte sich zunehmend, alle liefen, torkelten oder radelten nach Hause. Ich trank den Rest von meinem Bier und schaute der Band zu, wie sie in ihren Wagen stieg und den Motor startete. Doch der schlief schon. Die Kiste wollte einfach nicht anspringen. Ich brachte meine leere Bierflasche rein und stand zwei Minuten später wieder draußen. Die Bandmitglieder waren inzwischen wieder ausgestiegen und hatten die Motorhaube geöffnet. Hilflos glotzten sie hinein.
»Reicht denn die Gage wenigstens für ein Taxi?«, fragte der Gitarist den Drummer.
»Für mein Schlagzeug schon, wenn der Rest von uns läuft«, war die trockene Antwort.
Andi hätte den Jungs bestimmt helfen können. Mit Schrottkisten kannte der sich ja aus. Aber er war nicht mehr da. Ich schlenderte zur nächsten Straßenecke, wo mein Bus geparkt war. Als ich am immer noch defekten Ford vorbeifuhr und die ratlosen Gesichter der Bandmitglieder sah, hielt ich an, leierte meine Seitenscheibe runter und rief ihnen zu: »Wo müsstet ihr denn hin?«
»Rüber nach Stuttgart-West.«
»Liegt auf meinem Weg. Soll ich euch mitnehmen?«
Mein Bus kam mit den schweren Gitarrenverstärkern, Schlagzeugkoffern und vier Leuten kaum vom Fleck. »Jetzt wären ein paar zusätzliche PS gut«, sagte ich halb zu mirselbst, während wir langsam losfuhren. In meinem Autoradio lief eine Kassette von Sonic Youth.
»Coole Mucke«, sagte der Gitarrist, der neben mir auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. »Und echt, tausend Dank fürs Mitnehmen. Übrigens, ich heiße Noel.«
»Ich bin Friedemann. Noel? Schöner Name.«
»Ja,
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