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Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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ist kein Sportplatz hier. Geht woanders spielen«, antwortete Ali scheinbar unbeeindruckt und rief etwas auf Türkisch ins Innere seines Ladens. Jemand rief lautstark etwas zurück.
    Dann kamen Alis Kumpels. Einer von ihnen hatte das riesige Dönermesser in der Hand.
    Der Schmale und Double Trouble schauten verdattert. »Alles cool, Mann.« Sie rannten zu ihrem Auto, stiegen ein und fuhren hektisch davon. Ali schaute dem Wagen hinterher und schüttelte stumm den Kopf. »Kollege«, sagte er zu mir, nachdem der Mercedes um die Ecke gebogen war, »das ist gar kein guter Umgang für dich. Die großen Hunde beißen manchmal eben auch.« Er schaute wieder auf meine blutende Hand. »Komm erst mal rein, ich habe einen Verbandskasten in der Küche.«
    Während Ali in der kleinen hell erleuchteten Küche meine Hand versorgte, kam ich langsam wieder zu mir. Aber meine Knie zitterten immer noch. Um uns standen seine Kumpels und fragten Ali vermutlich, was das Problem gewesen war. Alles redete aufgekratzt durcheinander. Ich verstand kein Wort, aber einige von ihnen tätschelten mir mitleidig den Kopf.
    »Wie viel Verlust?«, fragte Ali, nachdem er den Verband mit Klebeband fixiert und seine Kumpels aus der Küche gescheucht hatte.
    »Ich schätze, mindestens vierhundert Mark«, antwortete ich kleinlaut.
    »Oh, das ist ein teures Lehrgeld. Lass in Zukunft die Hände von solchen Typen«, sagte er zu mir. »Mit denen macht man keine Geschäfte, das ist eine Nummer zu groß für dich. Schaust du nicht Miami Vice?«
    Ich saß auf Pappkartons voller Weißkohlköpfen und hielt meine schmerzende Hand. Ali brachte mir heißen Tee und setzte sich mir gegenüber auf eine Kiste Gurken. Ich nickte dankend. »Ihr seid wenigstens eine Community«, sagte ich leise zu ihm. »Wenn euch einer dumm kommt, macht ihr dicke Backen und so weiter. Ich kann noch so viel Luft in meinen Mund pumpen, das wird keinen beeindrucken. Du bist hier einer von Vielen, aber als Zoni bin ich nur ein einsamer Gärtner, der einen komischen Dialekt spricht.«
    »Komischer Dialekt? Na, da haben wir beide doch was gemeinsam«, erwiderte Ali und grinste. »Du müsstest mal erleben, wie ich mich in Anatolien bei meinen Großeltern fühle. Für die im Dorf bin ich nur der Deutsche, und sie fragen, warum ich nicht mit einem Mercedes gekommen bin. Und dann meckern sie, weil mein Türkisch so schlecht sei. Dabei bin ich dort geboren. Ich und ein Deutscher … Denkst du, hier würde mich auch nur einer als Deutscher bezeichnen? Daran würde nicht mal der grüne Pass was ändern. Da bräuchte ich schon das Hautbleichmittel von Michael Jackson.«
    Am nächsten Tag nach Feierabend rief ich Jens an. Er hatte diesen Scheißtypen angeschleppt.
    »Sorry, aber da kann ich auch nix machen«, war seine teilnahmslose Reaktion auf meine Schilderung der gestrigen Ereignisse. »Ich kenne den ja auch nur flüchtig. Da hast du ihn wahrscheinlich auf dem falschen Fuß erwischt. Keine Ahnung, wie ich den erreichen könnte, ich hab ihn lange nicht gesehen. Mach dir nix draus, ist ja noch mal gut gegangen.«
    Wütend legte ich auf. So ein schwachsinniges Gelaber. Überhaupt nichts war gut gegangen!
    Ich stand am Fenster meines Wohnzimmers und schmiedete Rachepläne. Aber keiner schien durchführbar. Ich hatte keine Ahnung, wo und wie ich Double Trouble dazu bringen sollte, mir mein Geld zu geben. Wut und Frust nagten an mir wie Blattläuse an ungespritzten Sonnenblumen. Ich wählte Elisabeths Nummer, aber da ging lediglich der Anrufbeantworter ran. Immerhin mein Plattenspieler spielte tadellos meinen letzten Vinyl-Einkauf: The Sundays, die ein bisschen nach The Smiths klangen, nur mit weiblicher Stimme.
    Das Telefon klingelte. Eigentlich riefen in letzter Zeit nur meine Mutter oder Elisabeth an. Meine Mutter, um zu fragen, wie es mir geht und Elisabeth, um zu sagen, wann es wieder geht.
    »Hi, Friedemann, hier ist Matti. Endlich erreiche ich dich«, tönte es etwas rauschend aus dem Hörer.
    »Ich hatte viel zu tun«, antwortete ich. »Wie geht’s in Berlin?«
    »Super. Wir sind in ein besetztes Haus gezogen in Ost-Berlin, in Friedrichshain. Wir sind jetzt sozusagen auch Ossis. Ostdeutsche Schwaben.«
    »Hallo, Landsleute. Obwohl … Ich bin ja jetzt ein schwäbischer Ostdeutscher – oder so.«
    »Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört«, sagte Matti. »Das ist hier eine ganze Straße mit zwölf besetzten Häusern. So viele hat nicht mal die Hafenstraße in Hamburg. Das ist der totale

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