Das Wirken der Unendlichkeit
Tijuna, Mexiko, bringen. Als guter Einwohner von Los Angeles nannte er Tijuna nur >TJ<. Dort wollte er sich für ein paar Dollar die Innenverkleidung erneuern lassen.
»Ein Ausflug würde uns guttun«, meinte er fröhlich und begann sofort, über die Freunde nachzudenken, die er mitnehmen würde. »Natürlich wirst du in TJ nach gebrauchten Büchern suchen. Du bist eben verrückt. Wir anderen werden in ein Bordell gehen. Ich kenne dort ein paar.«
Wir brauchten eine Woche, um die ganze Innenverkleidung zu entfernen und das Blech abzuschleifen, um es für das Anbringen der neuen Verkleidung vorzubereiten. Rodrigo blieben noch zwei Wochen zum Lernen. Er fand noch immer, das sei viel zuviel Zeit. Er überredete mich, ihm beim Streichen seiner Wohnung zu helfen. Die Malerarbeiten und das Abschleifen des Holzbodens dauerten über eine Woche. In einem Zimmer wollte er die Tapete nicht einfach überstreichen. Wir mussten uns ein Gerät leihen, um die Tapete mit Dampf zu entfernen. Natürlich hatten weder Rodrigo noch ich eine Ahnung, wie man mit dem Gerät richtig umging. Deshalb sah das Ergebnis entsprechend scheußlich aus. Wir mussten die Wände mit einer sehr feinen Mischung aus Gips und anderen Zutaten abspachteln, um sie wieder zu glätten. Nach all diesen Arbeiten hatte Rodrigo schließlich nur noch zwei Tage, um sich sechshundert Seiten einzuprägen. Wie besessen machte er sich mit Hilfe von Amphetaminen Tag und Nacht an den Lese-Marathon. Am Tag der Prüfung erschien Rodrigo im Vorlesungssaal. Er setzte sich auf seinen Platz und bekam die Prüfungsbogen. Er blieb allerdings nicht wach, um die Bögen auszufüllen. Sein Körper sank nach vorne, und sein Kopf fiel mit einem dumpfen Schlag auf den Tisch. Die Prüfung musste für eine Weile unterbrochen werden. Die Soziologiedozentin wurde hysterisch, und auch die Studenten in der Nähe von Rodrigo gerieten in Panik. Sein Körper war steif und eiskalt. Alle im Saal befürchteten das Schlimmste. Sie glaubten, er habe einen Herzanfall und sei gestorben. Man rief Sanitäter, um ihn zu holen. Nach einer ersten Untersuchung stellten sie fest, Rodrigo schlafe tief und fest. Man brachte ihn ins Krankenhaus, wo er den Amphetamin-Rausch ausschlafen konnte.
Meine Identifikation mit Rodrigo war so total, daß ich es mit der Angst zu tun bekam. Ich war in der Tat genau so wie er. Aber ich konnte die Ähnlichkeit nicht mehr ertragen. In einem Anfall von selbstmörderischem Nihilismus - zumindest sah ich es so -, mietete ich ein Zimmer in einem schäbigen Hotel in Hollywood. Die Teppiche waren grün und hatten große Zigarettenbrandstellen, die offenbar gerade noch gelöscht worden waren, bevor ein richtiges Feuer ausbrach. An den schmutziggrünen Wänden hingen verblichene grüne Vorhänge. Die blinkende Hotelreklame leuchtete die ganze Nacht durch das Fenster.
Ich tat also genau das, was Don Juan von mir verlangt hatte, aber auf Umwegen. Ich tat es nicht, um Don Juans Forderungen zu erfüllen oder in der Absicht, unsere Meinungsverschiedenheiten beizulegen. Ich blieb monatelang in diesem Hotelzimmer, bis meine Person starb, so wie es Don Juan mir erklärt hatte. Ich blieb dort, bis es mir wirklich gleichgültig war, ob ich allein oder mit Leuten zusammen war.
Als ich aus dem Hotel auszog, nahm ich für mich allein eine Wohnung in der Nähe der Universität. Ich setzte mein Anthropologiestudium fort, das ich nie unterbrochen hatte, und ich begann ein sehr einträgliches Unternehmen mit einer Partnerin. Alles schien bestens in Ordnung zu sein, bis ich eines Tages erkannte, und diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag auf den Kopf -, daß ich mich für den Rest meines Lebens um mein Unternehmen kümmern musste und meine Gedanken um die Scheinentscheidung kreisen würden, ob ich Akademiker oder Unternehmer sein wollte, oder daß ich mich über die Schwächen und Allüren meiner Partnerin ärgern durfte. Ich war völlig verzweifelt. Zum ersten Mal im Leben wusste ich trotz all der Dinge, die ich getan oder gesehen hatte, keinen Ausweg. Ich hatte die Orientierung verloren. Ich begann ernsthaft mit der Idee zu spielen, mein Leben auf eine sehr praktische und schmerzlose Weise zu beenden. Eines Morgens weckte mich lautes und hartnäckiges Klopfen an der Tür. Ich dachte, es sei die Vermieterin, und befürchtete, sie würde die Tür mit ihrem Hauptschlüssel öffnen, wenn ich auf das Klopfen nicht reagierte. Ich stand auf und öffnete die Tür. Vor mir stand Don Juan! Meine
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