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Das Wirken der Unendlichkeit

Das Wirken der Unendlichkeit

Titel: Das Wirken der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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Überraschung war so groß, daß es mir die Sprache verschlug. Ich stammelte und stotterte, ohne ein vernünftiges Wort hervorzubringen. Ich wollte ihm die Hand küssen und vor ihm auf die Knie fallen. Don Juan kam herein und setzte sich völlig unbeschwert auf den Bettrand.
    »Ich bin nach Los Angeles gekommen«, sagte er, »nur, um dich zu sehen.«
    Ich wollte ihn zum Frühstück einladen, aber er sagte, er habe andere Dinge zu erledigen und könne nur kurz mit mir sprechen. Ich beeilte mich, ihm meine Erfahrung in dem Hotel zu schildern. Seine Anwesenheit brachte mich so durcheinander, daß mir noch nicht einmal der Gedanke kam, ihn zu fragen, auf welche Art er meine Adresse herausgefunden hatte. Ich sagte Don Juan, ich bedaure aufrichtig, was ich in Hermosillo gesagt hatte.
    »Du musst dich nicht entschuldigen«, sagte er beruhigend. »Jeder von uns macht genau das gleiche. Auch ich bin einmal der Welt der Zauberer entflohen und musste beinahe sterben, um meine Torheit zu erkennen. Es kommt nur darauf an, die Krise auszulösen. Auf welche Weise das geschieht, ist nicht so wichtig. Genau das hast du getan. Die Innere Stille wird für dich etwas Reales. Aus diesem Grund bin ich hier bei dir und rede mit dir. Verstehst du, was ich meine?«
    Ich glaubte, ihn zu verstehen. Ich begriff, daß er intuitiv wusste oder gesehen hatte, so wie er in der Luft Dinge sehen konnte, daß ich am Ende meines Lateins war. Deshalb war er gekommen, um mir weiterzuhelfen. »Du hast keine Zeit zu verlieren«, sagte er. »Du musst dein Geschäft in einer Stunde aufgelöst haben, denn ich habe nur eine Stunde Zeit, um auf dich zu warten. Ich will damit nicht sagen, daß ich nicht auf dich warten möchte, sondern daß mich die Unendlichkeit unbarmherzig vorwärtstreibt. Sagen wir also, die Unendlichkeit gibt dir eine Stunde, um alles aufzulösen. Für die Unendlichkeit ist die Freiheit das einzig lohnende Unternehmen. Jedes andere Unternehmen ist Betrug. Kannst du alles in einer Stunde auflösen?«
    Ich musste ihm nicht versichern, daß ich das konnte. Ich wusste ohnehin, ich musste es tun. Don Juan sagte mir dann, wenn es mir gelungen sei, alles aufzulösen, würde er mich auf dem Markplatz einer Stadt in Mexiko erwarten. Da ich inzwischen nur Gedanken für die Auflösung meines Geschäfts hatte, achtete ich nicht genau auf das, was er sagte. Er wiederholte es, und ich dachte natürlich, er mache einen Spaß. »Wie komme ich in diese Stadt, Don Juan? Soll ich mit dem Wagen fahren oder das Flugzeug nehmen?« fragte ich.
    »Löse zuerst dein Unternehmen auf«, befahl er. »Dann wirst du eine Antwort auf diese Frage finden. Aber vergiß nicht, ich warte nur eine Stunde auf dich.« Er ging, und ich machte mich in Windeseile daran, alles aufzulösen, was ich hatte. Natürlich dauerte das länger als eine Stunde. Aber ich dachte darüber nicht nach, denn nachdem ich die Auflösung des Unternehmens in Gang gesetzt hatte, ließ ich mich von den Dingen mitreißen. Erst als alles geschehen war, stand ich vor dem eigentlichen Problem. Ich wusste, ich hatte hoffnungslos versagt. Ich hatte kein Geschäft mehr, und ich konnte Don Juan nie mehr erreichen.
    Ich legte mich ins Bett und suchte den einzigen Trost, der mir blieb: Ruhe und Stille. Don Juan hatte mir eine Methode gezeigt, die das Finden der inneren Stille fördern sollte. Ich setzte mich also mit angewinkelten Knien auf das Bett, so daß sich die Sohlen der Füße berührten. Mit den Händen umfaßte ich die Fußgelenke und drückte die Füße aneinander. Er hatte mir einen dicken Holzpflock gegeben, den ich immer bei mir trug, wohin ich auch ging. Das Holz war etwa fünfunddreißig Zentimeter lang. Wenn ich mich vorbeugte und das Holz zwischen die Füße stellte, konnte ich den Kopf darauf abstützen. Dazu legte ich den Punkt mitten auf der Stirn auf das gepolsterte obere Ende des Pflocks. In dieser Stellung fiel ich jedesmal in wenigen Sekunden in einen tiefen Schlaf. Ich musste wie üblich mühelos eingeschlafen sein, denn ich träumte, ich sei in der mexikanischen Stadt, wo Don Juan auf mich warten wollte. Diese Stadt hatte mich stets fasziniert. Einmal in der Woche war Markt, und die Bauern der Umgebung kamen mit ihren Erzeugnissen zum Marktplatz, um sie zu verkaufen. Am meisten beeindruckte mich die gepflasterte Straße, die in die Stadt führte. Direkt am Anfang der Stadt zog sich die Straße über einen hohen Hügel. Ich saß oft auf einer Bank neben einem Stand, wo man Käse verkaufte,

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