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Das Wirken der Unendlichkeit

Das Wirken der Unendlichkeit

Titel: Das Wirken der Unendlichkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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dunklen Meer des Bewusstseins. Er sagte, was ich aus meiner inneren Stille heraus getan hatte, gleiche dem, was man beim Träumen tut, während man schläft. Bei der Wanderung auf dem dunklen Meer des Bewusstseins gebe es allerdings keinerlei vom Schlaf verursachte Unterbrechung, und während eines Traums gebe es nicht den Versuch, die Aufmerksamkeit unter Kontrolle zu halten. Die Wanderung auf dem dunklen Meer des Bewusstseins bringe eine unmittelbare Reaktion mit sich. Man habe ein überwältigendes Gefühl des Hier und Jetzt. Don Juan beklagte, daß ein paar schwachsinnige Zauberer den Vorgang des direkten Erreichens des Meeres des Bewusstseins als Wach-Träumen bezeichnet und so den Begriff Träumen noch lächerlicher gemacht hätten. »Als du glaubtest, du hättest diese Traumphantasie, in die von mir gewählte Stadt zu gehen«, fuhr er fort, »hattest du in Wirklichkeit deinen Montagepunkt direkt an eine bestimmte Stelle auf dem dunklen Meer des Bewusstseins verschoben, der die Wanderung möglich macht. Dann lieferte dir das dunkle Meer des Bewusstseins alles, was nötig war, um diese Wanderung fortzusetzen. Es gibt absolut keine Möglichkeit, diesen Punkt willentlich zu bestimmen. Zauberer sagen, die innere Stille wählt ihn mit unfehlbarer Sicherheit aus. Das ist einfach, nicht wahr?«
    Er erklärte mir die Feinheiten der Wahl. Für Krieger-Wanderer, so sagte er, sei die Wahl nicht wirklich der Vorgang des Wählens, sondern vielmehr der Vorgang, sich den Aufforderungen der Unendlichkeit mit Meisterschaft zu fügen.
    »Die Unendlichkeit trifft die Wahl«, sagte er. »Die Kunst des Krieger-Wanderers beruht auf der Fähigkeit, der kleinsten Andeutung zu folgen, sich jedem Befehl der Unendlichkeit zu fügen. Dazu braucht ein Krieger-Wanderer Mut und Können, Stärke und vor allem Nüchternheit. Alle diese Eigenschaften zusammen ergeben Meisterschaft!«
    Nach einer kurzen Pause griff ich wieder das Thema auf, das mich am meisten interessierte. »Aber es ist unglaublich, daß ich mit Körper und Seele tatsächlich in diese Stadt gegangen bin, Don Juan«, sagte ich. »Es ist unglaublich, aber nicht ausgeschlossen«, erwiderte er. »Das Universum hat keine Grenzen, und im gesamten Universum sind unermeßlich viele Möglichkeiten vorhanden. Also fall nicht auf den Grundsatz herein: >Ich glaube nur das, was ich sehe<, denn das ist der dümmste Standpunkt, den man einnehmen kann.« Don Juans Erklärung war kristallklar. Sie hatte Sinn, doch ich wusste nicht, wo sie Sinn hatte - ganz sicher nicht in meiner Alltagswelt. Dann versicherte Don Juan - und löste damit große Angst bei mir aus -, es gebe für Zauberer nur eine Möglichkeit, all diese Informationen zu handhaben. Man müsse sie durch Erfahrung überprüfen, denn der Verstand sei unfähig, soviel Stimulation aufzunehmen.
    »Was soll ich tun, Don Juan«,- fragte ich. »Du musst vorsätzlich durch das dunkle Meer des Bewusstseins wandern«, erwiderte er. »Doch du wirst nicht wissen, wie das geschieht. Sagen wir, die innere Stille tut es auf unerklärliche Art und Weise, auf eine Art und Weise, die man nicht verstehen, sondern nur praktizieren kann.«
    Don Juan befahl mir, mich auf mein Bett zu setzen und die Haltung einzunehmen, die die innere Stille fördert. Wenn ich diese Haltung einnahm, schlief ich normalerweise sofort ein. Don Juans Anwesenheit machte es mir jedoch immer unmöglich einzuschlafen, und ich erreichte tatsächlich einen Zustand völliger Ruhe. Diesmal stellte ich nach einem Augenblick der Stille fest, daß ich ging. Don Juan führte mich, indem er mir beim Gehen den Arm hielt.
    Wir befanden uns nicht mehr in seinem Haus, sondern gingen durch eine Yaqui - Stadt, in der ich noch nie gewesen war. Ich wusste, daß es diese Stadt gab, denn ich war oft in ihrer Nähe gewesen, doch die haßerfüllte Feindseligkeit der Leute in der Umgebung hatte mich stets zum Umkehren gezwungen. Es war eine Stadt, die ein Fremder beinahe unmöglich betreten konnte. Die einzigen Fremden, die freien Zugang hatten, waren die Inspektoren der Staatsbank, denn die Bank kaufte die Ernten der Yaqui-Bauern auf. Die endlosen Verhandlungen der Bauern kreisten um Vorschüsse der Bank auf der Grundlage mehr oder weniger spekulativer Berechnungen künftiger Erträge.
    Nach Beschreibungen von Leuten, die dort gewesen waren, erkannte ich die Stadt sofort. Wie um mein Staunen zu vergrößern, flüsterte mir Don Juan ins Ohr, wir seien in der fraglichen Yaqui-Stadt. Ich wollte ihn

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