Das Wirken der Unendlichkeit
Wertlosigkeit gab. »Na ja, ich habe nicht wirklich dort gelebt«, erwiderte er lachend. »Ich habe dich dort nur getroffen.« »Aber du hast doch nie gewußt, wann ich kommen würde, um dich zu besuchen, Don Juan«, sagte ich. »Es war mir nicht möglich, dir das mitzuteilen.« »Nun ja, wenn du dich richtig erinnerst«, sagte er, »hast du mich viele Male nicht angetroffen. Du musstest manchmal tagelang geduldig dasitzen und auf mich warten.«
»Bist du von hier nach Guaymas geflogen, Don Juan?« fragte ich und meinte das ganz ernst. Ich dachte, der schnellste Weg sei es gewesen, das Flugzeug zu nehmen.
»Nein, ich bin nicht nach Guaymas geflogen«, antwortete er lächelnd. »Ich bin direkt zu der Hütte geflogen, wo du gewartet hast.«
Ich wusste, er sagte mir absichtlich etwas, das mein lineares Bewusstsein nicht verstehen oder akzeptieren konnte und das mich in eine nicht endende Verwirrung stürzte. Ich befand mich damals auf einer Ebene des Bewusstseins, wo ich mich ständig fragte: >Und was ist, wenn alles, was Don Juan sagt, wahr ist?< Ich wollte ihm keine weiteren Fragen stellen, denn ich war hoffnungslos verwirrt und versuchte, eine Brücke zwischen unseren beiden Bahnen des Denkens und Handelns zu schlagen. In der neuen Umgebung begann Don Juan, mich sorgfältig in einer komplexeren Seite seines Wissens zu unterweisen. Diese Seite verlangte meine ganze Aufmerksamkeit, und es war eine Seite, wo es nicht genügte, ein Urteil in der Schwebe zu lassen. Es war die Zeit, in der ich mich in die Tiefen seines Wissens stürzen musste. Ich musste aufhören, objektiv zu sein, und gleichzeitig Abstand davon nehmen, subjektiv zu sein.
Eines Tages half ich Don Juan hinter dem Haus beim Säubern von Bambusstäben. Er riet mir, Arbeitshandschuhe anzuziehen, denn die Bambussplitter seien sehr scharf und verursachten leicht Infektionen. Er zeigte mir auch, wie ich das Messer benutzen solle, um den Bambus zu säubern. Ich vertiefte mich in die Arbeit. Als Don Juan begann, mit mir zu reden, musste ich die Arbeit unterbrechen, um zuzuhören. Er meinte schließlich, ich hätte lange genug gearbeitet und wir sollten ins Haus gehen.
Er forderte mich auf, mich in seinem geräumigen, beinahe leeren Wohnzimmer in einen sehr bequemen Sessel zu setzen. Er brachte mir etwas zu essen - einen Teller mit hübsch angerichteten Nüssen, getrockneten Aprikosen und Käsescheiben. Ich widersprach und erklärte, ich wolle den restlichen Bambus säubern. Doch er achtete nicht darauf. Er empfahl mir, langsam und gründlich zu kauen, denn ich brauche einen ständigen Nachschub an Essen, um wach und aufmerksam für das zu sein, was er mir sagen werde.
»Du weißt bereits«, begann er, »daß es im Universum eine immerwährende Kraft gibt. Die Zauberer des alten Mexiko nannten sie das dunkle Meer des Bewusstseins. Auf dem Höhepunkt ihrer Wahrnehmungskraft haben sie etwas gesehen, das sie in ihren Hosen zittern ließ, wenn sie welche trugen. Sie haben gesehen, daß das dunkle Meer des Bewusstseins nicht nur für das Bewusstsein der Organismen, sondern auch für das Bewusstsein von Wesen verantwortlich ist, die keinen Organismus besitzen.«
»Was sind das, Don Juan, Wesen ohne Organismus, die ein Bewusstsein haben?« fragte ich erstaunt, denn davon hatte er noch nie zuvor gesprochen. »Die alten Schamanen haben entdeckt, daß das gesamte Universum aus Zwillingskräften besteht«, sagte er, »aus Kräften, die gleichzeitig einander entgegengesetzt sind und sich ergänzen. Unsere Welt ist unvermeidlich eine Zwillingswelt. Die ihr entgegengesetzte und komplementäre Welt ist von Wesen bevölkert, die Bewusstsein, aber keinen Körper besitzen. Aus diesem Grund nannten die alten Zauberer sie anorganische Wesen.« »Und wo befindet sich diese Welt, Don Juan?« fragte ich, während ich unbewusst auf einem Stück Aprikose kaute.
»Hier, wo wir beide, du und ich, sitzen«, erwiderte er sachlich, lachte aber laut über meine Nervosität. »Ich habe dir gesagt, es ist unsere Zwillingswelt. Das bedeutet, sie steht in einer sehr engen Verbindung zu uns. Die altmexikanischen Zauberer dachten nicht wie du in den Begriffen von Raum und Zeit. Sie dachten nur in Begriffen von Bewusstsein. Es gibt zwei Arten von Bewusstsein, die gleichzeitig existieren, ohne jedoch jemals aufeinander zu treffen, denn jede Art ist völlig verschieden von der anderen. Die alten Schamanen standen vor diesem Problem der Koexistenz, ohne sich mit Zeit und Raum abzugeben. Sie sagten
Weitere Kostenlose Bücher