Das Wirken der Unendlichkeit
hattest die Traumphantasie, daß ich in deine Wohnung gekommen sei, ohne die Adresse zu kennen, und dann hattest du die Traumphantasie, du hättest mich besucht. Für mich als Zauberer war das, was für dich bei unserem Treffen in dieser Stadt eine Traumphantasie war, so real, wie wir es beide sind, während wir uns heute hier unterhalten.« Ich gestand Don Juan, daß ich keine Möglichkeit hatte, diese Ereignisse in einen gedanklichen Rahmen zu bringen, der einem westlichen Menschen angemessen war. Ich erklärte, die Ereignisse in Begriffen von Traumphantasien zu sehen, schaffe eine falsche Kategorie, die einer genaueren Betrachtung nicht standhalte. Die einzige Quasierklärung, die halbwegs möglich wäre, sei ein anderer Aspekt seines Wissens - das Träumen. »Nein, es hat nichts mit dem Träumen zu tun«, widersprach er mit Nachdruck. »Dies ist etwas Direkteres und Geheimnisvolleres. Übrigens habe ich heute für dich eine neue Definition von Träumen, die mehr mit deinem Bewusstseinszustand in Einklang steht. Träumen ist der Vorgang, bei dem der Verbindungspunkt mit dem dunklen Meer des Bewusstseins verschoben wird. So betrachtet, ist es ein sehr einfaches Konzept und ein sehr einfacher Vorgang. Es erfordert alle Fähigkeiten, die man hat, das zu begreifen, aber es ist keine Unmöglichkeit, und es ist auch nicht von mystischen Wolken verschleiert.
Der Ausdruck Träumen hat mich immer sehr irritiert«, fuhr er fort, »denn er schwächt einen sehr starken Vorgang ab. Träumen klingt wie etwas Beliebiges und vermittelt das Gefühl, es handle sich um eine Phantasie. Und das ist das Einzige, was Träumen nicht ist. Ich habe versucht, den Begriff zu ändern, aber er ist zu tief verwurzelt. Vielleicht könntest du es eines Tages tun, obwohl ich fürchte, du wirst dir nicht die Mühe machen. Wie es bei allen anderen Dingen in der Zauberei der Fall ist, wird es dir völlig gleichgültig sein, wenn du einmal so weit bist, daß du es tatsächlich tun könntest.« In all der Zeit, die ich Don Juan kannte, hatte er immer wieder ausführlich erklärt, Träumen sei eine von den Zauberern des alten Mexiko entdeckte Kunst, mit der man normale Träume verwandeln kann, so daß sie wirklich Tore zu anderen Welten der Wahrnehmung werden. Er vertrat die Ansicht, wenn sich ein Zauberer in dieser Kunst übe, werde sich die Traumaufmerksamkeit einstellen, wie er es nannte, das heißt, die Fähigkeit, eine besondere Art Aufmerksamkeit auf die Elemente eines gewöhnlichen Traums zu richten oder sie mit einer besonderen Art von Bewusstheit wahrzunehmen. Ich hatte seine Empfehlungen genau befolgt, und es war mir gelungen, meinem Bewusstsein zu befehlen, sich voll und ganz auf die Elemente eines Traums zu konzentrieren. Nach Don Juans Vorstellung ging es nicht darum, bewusst einen gewünschten Traum herbeizuführen, sondern die Aufmerksamkeit auf die Elemente zu richten, die der Traum enthielt, der sich einstellte. Danach zeigte mir Don Juan energetisch, was die Zauberer im alten Mexiko für den Ursprung des Träumens hielten - die Verschiebung des Montagepunktes. Er erklärte, daß sich der Montagepunkt im Schlaf auf ganz natürliche Weise verschiebe, daß es allerdings etwas schwierig sei, die Verschiebung zu sehen, denn das erfordere eine aggressive Stimmung. Die Zauberer im alten Mexiko hätten für diese Art aggressiver Stimmung eine besondere Vorliebe gehabt. Nach Don Juans Worten hatten die Zauberer alle Prämissen ihrer Zauberei mit Hilfe dieser Stimmung gefunden.
»Es ist eine überaus räuberische Stimmung«, fuhr Don Juan fort. »Es ist nicht schwer, sich in diese Stimmung zu bringen, denn der Mensch ist von Natur ein Raubtier. Aggressiv könntest du jeden in diesem kleinen Dorf oder vielleicht jemanden in großer Entfernung sehen, wählend er schläft. Jeder eignet sich zu diesem Zweck. Wichtig dabei ist, daß du das Gefühl absoluter Gleichgültigkeit erreichst. Du bist auf der Suche nach etwas, und du bist unterwegs, um es zu bekommen. Du machst dich auf den Weg und suchst jemanden. Wie eine Katze, wie ein Raubtier suchst du jemanden, über den du herfallen kannst.«
Don Juan lachte über meinen Ärger und erklärte mir heiter, die Schwierigkeit bei dieser Technik sei die Stimmung. Ich könne beim Vorgang des Sehens nicht passiv sein, denn der Anblick sei nicht zum Betrachten gedacht, sondern um darauf zu reagieren und zu handeln. Möglicherweise lag es an der Wirkung seines Ratschlags, aber nachdem er mir das alles gesagt
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