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Das Wispern der Schatten - Roman

Das Wispern der Schatten - Roman

Titel: Das Wispern der Schatten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam J Dalton
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D’Selle dafür vernichten lassen, dass er so entsetzlich fehlgegangen war. D’Selle war nicht nur völlig gedemütigt, sondern hatte sich auch eine schlimme Blöße gegeben. Solche Nachlässigkeit durfte nicht ungestraft bleiben. Erwarteten die Ältesten, dass D’Selle sich aus verlorener Ehre oder überwältigender Beschämung heraus selbst vernichten würde? Nun, darauf konnten sie lange warten, denn er hatte ja schon gezeigt, dass ihm Scham und Ehre vollkommen abgingen.
    D’Zel fragte sich, warum der Älteste Thraal in der Sache nichts unternommen hatte. Er musste sich auch über die übereilte Entscheidung wundern, den Sonderbaren loszulassen. War die Urteilskraft des Ältesten so untrüglich, wie sie hätte sein sollen? Es war durchaus schon vorgekommen, dass der Verstand einiger Uralter auf der Großen Reise verlorenging. Ihr Intellekt löste sich entweder so gut wie völlig von der Wirklichkeit oder verstrickte sich zu sehr hinein, so dass sie nicht mehr in der Lage waren, im Wachtraum Konzentration und Eigenständigkeit aufrechtzuerhalten. Alles verlor seine Bedeutung oder gewann unvermittelt eine und überwältigte sie. Bestand also die Möglichkeit, an die Stelle des Ältesten zu treten? Was für eine Vorstellung, in die Unermesslichkeit der Ältesten einzutreten, Zeit und Kosmos zu überblicken und über beides ausgreifen zu können! Aber wie trat man an die Stelle eines Ältesten? Welche Mechanismen konnten womöglich dafür sorgen? Hm. D’Zel konnte um eine Audienz beim Ältesten Thraal ersuchen, wie D’Shaa es getan hatte, nicht wahr? Der Präzedenzfall war schließlich geschaffen. Ja, das war ein Anfang, und ein Anfang war oft ein Mittel zum Zweck.
    Doch bis dahin verlangte der Norden seine sofortige Aufmerksamkeit. Seine Region war wohlgeordnet gewesen– es war Goza gelungen, sich von seinem massigen Hinterteil zu erheben und die Felsfrau ohne große Mühe zu bezwingen. Er war nahe daran gewesen, sie zu verschlingen und herauszufinden, welche Geheimnisse sie in Bezug auf das Geas hatte, aber dann hatte der Sonderbare eingegriffen und sie seiner Kontrolle und seinem Einfluss entrissen. Dieser D’Selle sollte verflucht sein– und D’Shaa gleich mit. Wenn die Felsfrau anderswo im Reich Schaden anrichtete, würde er selbst in gewissem Maße nachlässig wirken. Er würde nicht mehr in der Lage sein, aus einer unangreifbaren Position heraus Anklage gegen D’Selle zu erheben. D’Selle würde den Anschein der Nachlässigkeit auf alle ordnenden Intellekte desselben Rangs ausbreiten können, als wäre sie eine Art Seuche, und es würde den Ältesten so gut wie unmöglich sein, ihn allein zu bestrafen.
    Wieder einmal musste D’Zel sich fragen, ob D’Selle listiger war, als es ihm bewusst war. Konnte es sein, dass der Erlöser der westlichen Region Spione im Norden hatte? Vielleicht hatte er so von der Felsfrau erfahren, ihre wahrscheinliche Verbindung mit dem Geas erkannt und daraufhin eine Kette von Ereignissen ausgelöst, die das Felswesen D’Zels Zugriff entzogen hatten. War es möglich, so unglaublich es auch scheinen mochte? Gewiss verfügte kein Erlöser über solche Hellsichtigkeit– es sei denn, ihm standen Informationsquellen und Hilfsmittel zu Gebote, von denen D’Zel nichts wusste.
    Jedenfalls war D’Zel sich jetzt sicher, dass er selbst etwas gegen D’Selle würde unternehmen müssen. Er hatte keine andere Wahl. Das ließ ihn zögern. Gab es einen Intellekt, der ihn zum Handeln zu drängen versuchte, um ihn aus der Reserve zu locken, sodass er unweigerlich verwundbarer sein würde? Vielleicht wäre dann ein Bündnis mit D’Shaa von Vorteil, obwohl sie launisch und unberechenbar ist. Zugleich ist sie aber einfallsreich und hat die Fähigkeit unter Beweis gestellt, auch unter höchst ungünstigen Bedingungen zu überleben. Es wäre nicht das Schlechteste, wenn ich mich mit jemandem wie ihr verbünden würde. Vielleicht erkläre ich mich ganz offen für sie, auch wenn mich das möglicherweise zu sehr an sie fesselt und es mir später erschwert, sie loszuwerden, wenn sie mir schaden könnte. Aber ich muss sie an mich binden, wenn ich mir einen Anteil an dem Jungen sichern will, dessen sich das Geas bedient. Das Reich ist instabil geworden, aber ein Bündnis könnte meiner Stellung ein wenig Festigkeit verleihen.
    Wie sollte er also D’Selle am besten loswerden? Eine ganze Anzahl von Möglichkeiten bot sich an, aber keine erschien ihm elegant oder poetisch genug. D’Selle musste

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