Das Wispern der Schatten - Roman
Schwelle des großen Steinhauses der Dorfvorsteherin und betraten das verräucherte Innere. Prediger Praxis glaubte, schattenhafte Gestalten vor sich zu sehen, aber dann verschob sich der Rauch, und sie waren verschwunden. Er war sofort auf der Hut. Wenn dies ein Ort war, an dem unheilige Geister und Dämonen weilten, dann würde er keine leichte Beute für sie sein. Die Dorfvorsteherin war vermutlich eine Hexe. Wie sonst hätte eine Frau in irgendeine Führungsstellung aufsteigen sollen? Wer sonst hätte dem nackten, stinkenden Heiden an seiner Seite Anweisungen erteilen können? Ja, ein Ort der Verseuchung und Verruchtheit! Er lag schließlich außerhalb des Reichs und war vermutlich der klaffende Schlund des Chaos selbst.
Der Prediger leckte sich die trockenen Lippen und verspürte trotz der Stärke seines Glaubens mehr als nur ein wenig Beklommenheit. Schweiß lief ihm über die Stirn, und er zog an seinem Kragen. Eben noch war ihm höllisch heiß gewesen, dann allerdings wurde ihm kalt bis ins Mark. Die Gesetze der Natur und Ordnung hatten hier keine Geltung. Vielleicht war der Rauch der Odem des Chaos. Er drang ihm jetzt schon in die Lunge und versuchte, sich dort einzunisten.
» Wir sind ins Maul eines Drachen getreten!« Er schauderte.
» Nun sei nicht so albern, Flachländer«, hustete Torpeth. » Wer hat je von so etwas gehört? Sal legt dann und wann Kräuter aufs Feuer, um sie bei ihren Visionen zu unterstützen. Das ist dir wahrscheinlich zu Kopfe gestiegen, mehr nicht.« Dann rief er: » Geliebte, ich bin hier!«
» Wer da?«, krächzte eine Stimme, die alles andere als menschlich klang. » Irgendein alter Bock, der neugierig geworden und von draußen hereinspaziert ist, obwohl er es doch besser wissen sollte?«
Torpeth kicherte, als sei diese Bemerkung das Witzigste, was er je gehört hätte. » Geliebte, hier ist ein Flachländer, der gekommen ist, um großes Leid über uns zu bringen. Soll er ins obere Dorf vorgelassen werden?«
» Und warum genau sollte ich das gestatten, hm?«
Torpeth zerrte Prediger Praxis auf das Krötengequake irgendwo im wallenden Rauch zu. Wenn die Kröte in der Lage war zu sprechen, musste sie ein Geschöpf des Chaos sein, das irgendeinen unglücklichen Wanderer verschlungen hatte. Vielleicht würde Praxis als Nächster an die Reihe kommen! Der Heide führte ihn auf ein hungriges, breitmäuliges Ungeheuer zu. Wenn es ihn erst verschlungen hatte, würde es mit vielen Zungen, mit vielen Stimmen sprechen können. Eine unglaublich lange und klebrige Zunge würde sich aus dem Dämmerlicht hervorwinden, sich um seinen Hals schlingen und ihn in den unersättlichen, bodenlosen Schlund reißen. Er würde fallen und fallen und fallen und für immer durch den ewigen Abgrund und die Leere trudeln, die das Chaos bildeten.
» Ihr gesegneten Erlöser, beschützt mich!«, kreischte er und wankte, als der heidnische Boden ihn stolpern ließ. Er fiel auf die Knie und stimmte ein zittriges Gebet an.
» Es ist der Wille der Götter, Geliebte. Sinisar vom Leuchtenden Pfad hat seinen Weg hierher beleuchtet. Gar vom Stillen Stein hat seine Füße nicht straucheln lassen, Akwar von den Wallenden Wassern hat ihm den Weg nicht mit Regen und Schnee verstellt, und Wandar von den Wütenden Winden hat ihn nicht mit einem Sturm zurückgeschlagen.«
Torpeth schleifte den knienden Prediger vor eine verhutzelte alte Frau, deren Haut so rissig und dunkel wie Eichenrinde war. Ihre Augen dagegen waren von einem berückenden Blau und so klar wie die jedes Kindes.
» Was tut er?«, krächzte sie. » Ich verlange gewöhnlich nicht, dass Besucher mich anbeten, aber ich muss sagen, es steht ihm.«
» Geliebte, die Flachländer haben allerlei seltsame Sitten, die ich nicht verstehe.«
» Aber du verstehst sehr wohl, dass sie unsere Feinde sind, nicht wahr, du wirrköpfiger alter Bock? Wie auch nicht? Du warst dabei, als unser Volk noch im Flachland lebte. Du warst dabei, als die Anderen es vertrieben haben. Warum bringst du also ihren Vasallen zu mir und setzt dich für ihn ein?«
» Geliebte, ich weiß nicht, ob die Flachländer unsere Feinde sind. Die Ereignisse der Vergangenheit gehen in die heutigen über. Die Flachländer, die wir waren, sind in den heutigen Flachländern aufgegangen. Wir sind alle eins mit dem Geas.«
» Sei vorsichtig, alter Bock. In der Vergangenheit waren es deine Gedanken, die so viel Ärger angerichtet haben. Deine heutigen Gedanken könnten diesen Ärger andauern lassen. Du
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