Das Wispern der Schatten - Roman
bevorsteht.«
» Wenn wir für zu leicht befunden werden, werden wir uns selbst strafen. So war es stets, alter Bock.«
Torpeth seufzte. » Sie haben nicht auf meine Warnung gehört. Und doch habe ich selbst vor nicht allzu langer Zeit die Warnung missachtet, als ich im Namen der Götter Krieg gegen die Menschen geführt habe.«
» Und du hast dich selbst gestraft, nicht wahr?«
» Ja, ich mich selbst, Geliebte.«
» Du hast großes Leid und viele Todesfälle zu verantworten, alter Bock. Jetzt musst du für immer mit dem großen Leid leben, und Vergebung wird dir stets versagt bleiben, von den Göttern, vom Volk und von dir selbst. Dir wird nie Mitgefühl zuteilwerden und auch keine Gnade, weil du anderen keine erwiesen hast. Freunde hast du keine. Das, was für dich einem Freund noch am nächsten kommt, ist der Flachländer, er, den du verachtest, denn er ist dir ähnlicher, als dir lieb ist. Liebe empfindet niemand für dich, denn du hast anderen keine entgegengebracht, und ich werde es nie zulassen. Trauer und Asche sind alles, was du je bekommen wirst. Doch du hast dir diese Welt selbst erschaffen, alter Bock, und musst nun also für immer darin leben, bis sie an deinem Verbrechen zugrunde geht.«
Tränen traten Torpeth in die Augen. Er zog kräftig die Nase hoch und schluckte, während die Dorfvorsteherin mit versteinerter Miene dastand. » Gibt es also keine Hoffnung, Geliebte?«
» Hast du anderen erlaubt zu hoffen, alter Bock?«
Die etwa hundert Krieger aus dem oberen Dorf blieben zwölf Schritte von ihnen entfernt stehen. Slavin trat vor. » Alte Mutter, lass in allen Dörfern in den Bergen verkünden, dass Schwarzschwinge nicht mehr fliegt. Sie sollen all ihre Krieger herschicken, damit sie morgen Schwarzschwinges Tod beklagen und feiern können, um dann am nächsten Tag Zeugen zu werden, wie du seinem Sohn die Federkrone aufsetzt.«
Die Augen der Dorfvorsteherin blieben kalt, aber sie neigte den Kopf. » Der Wille der Götter geschehe. Und am dritten Tag?«
» Am dritten Tag wird Häuptling Pralar entschei…«, setzte Slavin an.
Aber Pralar trat vor und sagte laut: » Am dritten Tag werden wir beginnen, unser Land von denen zurückzuerobern, die es uns gestohlen haben!« Seine Krieger nickten. » Wir werden das Volk befreien und seine Herzen für die Götter zurückgewinnen!« Sie jubelten ihm zu. » Wir werden unseren Stolz zurückerobern!« Sie brüllten und reckten die Fäuste in die Luft, und die meisten Dorfbewohner fielen mit ein. » Ich sage, dass wir uns nicht länger in obere und untere Dörfer aufteilen werden!« Alle Dorfbewohner waren darüber begeistert, und sogar die Dorfvorsteherin zog die Augenbrauen hoch. » Wir werden uns nicht länger in höhere und niedrigere Gipfel aufteilen! Wir werden nicht länger ein geteiltes Volk sein!« Sie sprachen mit einer Stimme und aus einem Willen, und ihre Rufe hallten in den Bergen wider. » Uneinigkeit und Zwist sollen ein Ende haben! Heute Abend werden wir feiern, Lieder singen und Geschichten erzählen, die uns daran erinnern, wer wir sind.« Sie tanzten vor Freude: Krieger und Dorfbewohner kamen zusammen, schlugen einander auf die Schultern, schüttelten sich die Hände, umarmten Frauen und küssten einander sogar.
Die Augen der Dorfvorsteherin glänzten nun, als sie sich Torpeth zuwandte. » Er hat die Lunge und Leidenschaft seines Vaters, aber in ihm steckt mehr Leben als in Schwarzschwinge. Wahrlich, er spricht mit der Stimme der Götter, lieber alter Bock.«
Torpeth seufzte, als er sah, wie der Prediger Pralar etwas ins Ohr flüsterte. Der Prediger lächelte, und seine Augen fingen kurz den Blick des heiligen Mannes auf, bevor sie sich rasch abwandten. » Ja, Geliebte, es steckt Leben in ihm, während in Schwarzschwinge keines mehr übrig ist. Ich muss mit dem sprechen, der für mich einem Freund am nächsten kommt, mit ihm, den ich so verachte.«
Der Prediger schritt durch die Menge davon und gönnte Pralar seinen großen Augenblick.
Vermutlich kommt der junge Narr mit der Bewunderung seines Volkes auch zurecht, ohne dass man ihm dabei die Hand hält. Ich habe nicht die Absicht, mich heute Abend an einem ausschweifenden Fest zu beteiligen. Es wird zweifelsohne in eine Art heidnischer Orgie ausarten. Stattdessen will ich mich dem Gebet widmen und Trost in der Heiligen Schrift suchen. Praxis schlüpfte aus der Menge hervor zwischen zwei Hütten, nur um festzustellen, dass der nackte Torpeth ihm den Weg verstellte. Woher wusste er,
Weitere Kostenlose Bücher