Das Wispern der Schatten - Roman
eigensüchtig nur noch an deinen eigenen Zielen interessiert, nicht wahr? Wir sind wohl ein bisschen größenwahnsinnig geworden? Schäm dich, Freda! Ich dachte, von dir wäre mehr zu halten.«
» Versprich es mir.«
» Frau, du bist starrsinnig wie ein Stein!« Der Sonderbare starrte sie böse an, aber es war offensichtlich, dass sie nicht nachgeben würde. Er fluchte leise und erklärte schließlich: » Sieh mal, ich kann dir keine bindende Abmachung darüber anbieten, aber ich kann dir versprechen, mein Bestes zu tun, nicht unnötig Menschen zu töten. Im Gegenzug musst du, wenn ich doch jemanden töten sollte, auf meine Einschätzung vertrauen, dass es wirklich notwendig war. Als Gott weiß ich vieles und kann Dinge vorhersehen, über die du nichts weißt. In Ordnung? Sind wir jetzt wieder Freunde?«
Sie strahlte ihn dankbar an. » Ja, Freund Anupal. Danke!«
» Gut. Können wir uns jetzt bitte in Bewegung setzen, bevor wir den ganzen Spaß verpassen?«
» Wir machen ein Wettrennen zum nächsten Horizont!«, rief sie und tauchte wieder in die Erde ab.
» He! Ich war noch nicht bereit. Hör mal, ich führe hier das Kommando. Komm zurück!« Er lächelte und begann darüber nachzudenken, wie er sich an ihr rächen würde.
Jillan zitterten die Hände, als hätte er die Schüttellähmung, und er sah ein paar Augenblicke lang alles doppelt. Er konnte sich kaum auf dem Hocker am Bett aufrecht halten. Er war so müde! Aber er hatte ein weiteres Leben gerettet, und gnädigerweise war das hartnäckige Nörgeln des Makels zu weniger als einem Flüstern verklungen.
» Gelobt seien die Erlöser! Es ist ein Wunder! Noch nicht einmal der Heilige hat das für uns getan!«, schluchzte die Enkelin des alten Mannes, als sie Zeugin wurde, wie die dunklen Pestflecken von der Haut ihres Großvaters verschwanden. Die Augen des Mannes waren jetzt klar statt wässrig, und er lächelte zu ihr empor.
» Das wird er auch nicht tun«, sagte Jillan erschöpft.
Der Mann berührte ehrfürchtig Jillans Arm. » Wie kann ich dir je danken? Ich fühle mich so seltsam. Mein Verstand ist klar, klarer denn je. Ich sehe jetzt alles anders. Es ist, als hätte ich mein ganzes Leben in einem Traum verbracht und das nie so recht bemerkt. Ich werde nie mehr zulassen, dass jemand auch nur ein Wort gegen dich sagt, Jillan Jägersohn. Ich kenne auch deine Eltern. Sie sind gute Menschen, ganz gleich, was andere sagen.«
Jillan lächelte traurig. » Der Heilige hat sie getötet.«
Der Mann und seine Enkelin schnappten nach Luft. » Sag das nicht!« Entsetztes Schweigen. Aber dann: » Unser Heiliger hat bekanntermaßen schon einmal Unschuldige getötet. Alle wissen, was in Neu-Heiligtum vorgefallen ist. Herzliches Beileid, mein Junge.«
» Sei still, Großvater, sonst hört dich noch jemand. Und der Heilige weiß immer Bescheid.«
» Es kümmert mich keinen Furz, wer zuhört! Du warst nicht dabei, Mädchen. Du hast nicht gesehen, wie Unschuldigen die Kehle durchgeschnitten wurde, während sie noch um Gnade flehten, und wie deinen Freunden und Angehörigen die Eingeweide herausgerissen wurden, während sie noch atmeten. Also hüte deine Zunge! Wenn der heilige Azual all das nicht getan hat, will ich nicht mehr Dan Arnesohn heißen!«
In den Augen der getadelten Enkelin stand Furcht, aber sie biss sich auf die Lippen und hielt gehorsam den Mund.
Dan wandte sich wieder an Jillan. » Aber du siehst selbst nicht besonders gut aus, Junge. Du hast dunkle Ringe unter den Augen und bist fahler als Helgas Haferbrei vom Vortag. Diese Heilerei verlangt dir einiges ab, das sehe ich dir an. Achte darauf, dass du dich erst einmal um dich selbst kümmerst, denn was soll sonst aus uns anderen werden, hm?«
» Ich schaffe das schon«, sagte Jillan und setzte eine tapfere Miene auf. » Außerdem warten draußen noch viele Leute, von denen manche bestimmt sterben, wenn sie nicht bald behandelt werden.«
Dan schnitt eine Grimasse. » Nun, ich kann wohl nichts dagegen einwenden, dass du sie heilst, da ich ja vor ihnen an die Reihe gekommen bin. Aber du siehst wachsbleich aus, also sei bitte vorsichtig mit dem, was du gibst, sonst werde ich mir nie verzeihen, dass ich schon so viel von dir bekommen habe. Nein, steh nicht auf, Meister Jillan. Helga wird mir aufhelfen, damit wir aufbrechen können und nicht noch schuld daran sind, dass ein Bittsteller stirbt, der schon längst hätte behandelt werden sollen. Ich schicke Helga mit allen Lebensmitteln noch einmal
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