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Das Wispern der Schatten - Roman

Das Wispern der Schatten - Roman

Titel: Das Wispern der Schatten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam J Dalton
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die Stirn an den warmen Ziegeln des Kamins ruhen und schloss einen Moment lang die Augen. Du weißt, was du zu tun hast, sagte er zu sich selbst.
    Er schlug die Augen auf und zog das Brot aus dem Feuer, bevor es völlig verdorben war. Von Samnirs Platz drang leises Schnarchen zu ihm herüber. Jillan wollte ihn nicht stören, sondern legte das Brot auf die Ecke des Tisches, sodass es in Reichweite des Soldaten sein würde, wenn er erwachte.
    Dann ging Jillan nach draußen und zog die Tür sanft hinter sich zu. Er ging zum nächsten Haus mit einem weißen Kreuz auf der Tür und rauchendem Schornstein. Er klopfte mehrfach und wartete.
    Der Sonderbare saß mitten auf der Kreuzung und grübelte. Er war zu lange der Welt entrückt gewesen, das wusste er inzwischen. Die Zeit war genauso ein Ort wie die Eigenheiten der Landschaft und ihrer lächerlich kurzlebigen Bewohner. Es war ehrlich gesagt schier unvorstellbar, dass die Leute dieser Welt je irgendetwas erreichten. Wie gelang es ihnen auch nur zu überleben? Warum machten sie sich die Mühe? Vermutlich, weil sie es nicht anders kannten und weil die Andersweltler sie in seliger Unwissenheit hielten, was die Richtung anging, in die sich alles entwickelte. Wenn die Leute darüber Bescheid gewusst hätten, hätten sie sich lieber selbst das Leben genommen, statt die Alternative zu durchleiden. Und das wäre es dann gewesen: keine Menschen mehr, keine Welt, kein Geas. Die Andersweltler hätten sich einen Moment lang geärgert, aber danach hätte es ihnen freigestanden, in die nächste Welt und zum nächsten Geas weiterzuziehen und den Verlust sogleich zu vergessen. Denn der Verlust würde ihnen nichts bedeuten, solange nicht jede Welt, die sie aufsuchten, auf die gleiche Weise ihrem Leben ein Ende setzte und so dafür sorgte, dass die Andersweltler nie die Energie zurückgewinnen konnten, die sie dabei verbraucht hatten, sich durch die Reiche des Geas auszubreiten, sodass sie sich zu sehr strecken und ausdehnen mussten, bis ihr Dasein endete. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass es dazu kam, war so gering, dass sie… nun, dass sie gar nicht vorhanden war, was wiederum seine Meinung bestätigte.
    Er hatte sich aus der Welt zurückgezogen, weil er damit gerechnet hatte, dass die Andersweltler alles rasch in den Griff bekommen und hinter sich bringen würden. Aber die sture, eigensinnige Natur dieses Volks und des Geas hatte dafür gesorgt, dass sich alles lästigerweise in die Länge gezogen hatte. Die Welt schwebte weiter im Ungewissen, den Andersweltlern oder aber selbstmörderischer Vergessenheit anheimzufallen. Zu seiner großen Überraschung war beides noch nicht geschehen. Dann und wann neigte sich die Welt in eine Richtung, und es sah aus, als würde sie fallen, aber dann überrumpelte etwas Unerwartetes sie alle, und die Welt neigte sich zurück in die andere Richtung. Wie lange konnte sie so im Ungleichgewicht bleiben und dennoch überleben?
    War es ein Zufall, dass die Welt noch immer überdauerte? Die Andersweltler glaubten natürlich nicht an den Zufall, nur an Komplexität. Der Sonderbare war diesbezüglich selbstverständlich nicht ihrer Meinung, denn war er nicht der Herr des Chaos? Für ihn gab es nichts Absolutes, obwohl er eingestehen musste, dass es viele Dinge gab, die so gut wie sicher waren, etwa die Art, wie die erschreckend hinterlistigen Andersweltler dafür gesorgt hatten, dass gewisse Eventualitäten unausweichlich wurden, oder die scheinbare Gewissheit, dass nichts auf dieser Welt gegen die kosmische Macht der Andersweltler bestehen oder ihre Absichten in eine andere Richtung lenken konnte. Und dennoch: So wie die Götter nicht allmächtig sein konnten, konnte es auch nichts Absolutes geben. So wie es Götter gab, gab es Sonnenmetall. So wie es Beherrschung, Ordnung und Zivilisation gab, gab es ihn selbst, den Sonderbaren.
    Es war merkwürdig– nein, bezeichnend –, dass er wieder in die Angelegenheiten der Welt hineingezogen worden war. Er war anscheinend immer noch an diese Welt gebunden und gehörte zu ihrem Wesen. Entweder bedeutete das, dass nichts enden würde oder dass alle widerstreitenden Kräfte endlich aufeinanderprallen und die Angelegenheit ein für alle Mal klären würden. Er wusste nur, wie es ihm selbst ergehen würde: Entweder würde er für immer hier gefangen sitzen und nicht die Kraft haben, sich zu befreien, sofern er sich nicht eine ausreichende Menge Sonnenmetall sicherte, oder er würde das Geas selbst in Besitz nehmen, was

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