Das Wispern der Schatten - Roman
» Wenn du mich haben willst…?«
Jillan runzelte die Stirn und war sich nicht sicher, was er davon halten sollte. » Natürlich, wenn du möchtest. Aber du hast doch schon gehört, dass der Heilige mit einer Armee auf dem Weg hierher ist, oder?«
Haal nickte. » Einer der Heiden bringt mir seit einer Weile bei, wie sie kämpfen. Ich habe keine Angst.«
Jillan nickte und wartete. » Was noch?«
» Es ist meine Mutter.«
» Dann bring sie her, Haal Corinsohn, und sag dem Nächsten, der draußen wartet, dass er hereinkommen soll.«
Haal neigte wahrhaftig den Kopf und zupfte sich an einer Haarsträhne, als er rückwärts das Zimmer verließ.
Zu müde, das alles zu durchschauen, saß Jillan eine Minute lang einfach da und wartete. Diesmal erschien Samnir, frisch rasiert und in eine Lederrüstung gekleidet.
» Sieh dir doch an, in was für einem Zustand du bist, Junge! Wann hast du zuletzt gegessen und geschlafen?«
» Ich… ich…« Jillan fehlten die Worte.
» Das habe ich mir gedacht«, erwiderte Samnir, während er frisches Brot, Käse und eine Wasserflasche auf den Tisch stellte. Er verschränkte die Arme. » Du empfängst niemanden mehr, bevor du das nicht im Magen hast und ich dich für eine Stunde habe schlafen sehen. Sag nichts. Iss! Das ist ein Befehl.«
Jillan hatte nicht die Kraft zu widersprechen.
Nachdem er kurz geschlafen hatte, durfte er wieder mit dem Heilen beginnen, wenn auch unter Samnirs aufmerksamem, stahlgrauem Blick. Der Soldat ließ ihn nur alle fünfzehn Minuten einen Patienten behandeln, was Jillan, wie er zugeben musste, gerade eben davor bewahrte, vor Erschöpfung zusammenzubrechen. Nach ein paar Stunden gelang es ihm, Samnir zu überreden, seinen Posten zu verlassen.
» Ich will, dass du den Schmied Thomas und einen jungen Bergkrieger namens Aspin suchst. Sie sind Freunde von mir. Sie helfen bestimmt Häuptling Pralar und Aspins Vater Slavin dabei, die Verteidigung zu organisieren. Du findest sie wahrscheinlich in der Nähe des Wirtshauses. Mir ist eingefallen, dass die Bergkrieger bestimmt nicht wissen, wie man den Wald am besten auskundschaftet, um Ausschau nach der Armee des Heiligen zu halten, und auch nicht, wie die Armeen des Reichs sich bei Belagerungen und in Schlachten verhalten.«
Samnir nickte. » Und sie wissen auch nicht, wie man gegen eine mit Sonnenmetall ausgerüstete Armee kämpft. Die Heiden haben ein paar Sonnenmetallwaffen erbeutet, als sie Gottesgabe eingenommen haben, aber ich bezweifle, dass sie überhaupt das eine Ende einer solchen Waffe vom anderen unterscheiden können, ganz zu schweigen davon, dass sie sicher auch nicht wissen, wie man sie im Kampf am wirkungsvollsten einsetzt. Nun gut, ich suche sie auf, aber du musst mir schwören, dass du hier einen vernünftigen Rhythmus einhältst.«
» Das schwöre ich, mögen die Erlöser und die Götter meine Zeugen sein«, antwortete Jillan lächelnd.
Kopfschüttelnd überließ Samnir Jillan seiner Heilkunst. Jillan verfiel dabei tatsächlich in einen gewissen Rhythmus und stellte fest, dass er sich an diese Art, seine Magie einzusetzen, gewöhnte und sich jedes Mal ein wenig schneller davon erholte. Bald war er in der Lage, alle zehn Minuten einen Patienten zu empfangen.
Ash besuchte ihn. Er roch stark nach Alkohol, und das Weiße seiner Augen war blutunterlaufen. » Du musst mir helfen! Ich habe mich angesteckt, Jillan! Mir zittern die Hände, der Magen und der Kopf tun mir entsetzlich weh, und ich habe vorhin Blut gehustet!«
Jillan nahm Haut, Nägel, Zähne und Haare des Waldläufers in Augenschein. » Du hast nur einen Kater. Nichts deutet auf die Seuche hin.«
» Aber es ist sicher nur eine Frage der Zeit, dass ich sie mir einfange, wenn ich noch viel länger in dieser erlöserverfluchten Stadt bleibe.«
» Ich glaube, es erkranken nur diejenigen an der Pest, die zu den Erlösern gezogen worden sind. Ihnen scheint die Energie zu fehlen, gegen die Pest anzukämpfen. Deshalb haben sich die Kinder und Bergbewohner nicht angesteckt. Aber mach dir keine Sorgen, Ash. Wenn du die Pest bekommst, heile ich dich.«
» Zu welchem Zweck, wenn der Heilige doch ohnehin kommt und uns alle tötet?«
» Ash, beruhige dich. Was willst du damit sagen? Dass du Gottesgabe verlassen möchtest, bevor der Heilige auftaucht?«
» Ich…« Der Waldläufer nickte mit gerötetem Gesicht. » Es ist doch nur vernünftig, oder? Es ist nichts zu gewinnen, wenn wir bleiben. Komm mit mir, Jillan.«
» Ich muss hierbleiben,
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