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Das Wispern der Schatten - Roman

Das Wispern der Schatten - Roman

Titel: Das Wispern der Schatten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam J Dalton
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hierher, die wir entbehren können. Ja, gutes Mädchen! Hoch mit uns.«
    Jillan sah ihnen nach, aber als sie die Tür erreichten, verschwammen sie ihm vor den Augen. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war oder wo in der Stadt er sich überhaupt befand. Zuerst war er von Haus zu Haus gegangen, aber als sich die Heilungen herumgesprochen hatten, waren immer mehr Leute zu ihm gekommen. Er hatte sich in irgendeinem verlassenen Haus an die Arbeit gemacht, und draußen hatte sich schnell eine lange Schlange gebildet. Es nahm kein Ende damit, kein Ende. Aber er würde weitermachen, bis er nichts mehr zu geben hatte. Wie hätte er das nicht tun können, da er doch der Grund für die Pest und den Tod so vieler war?
    » Herein«, sagte er blind. » Bitte da aufs Bett.«
    Schwere Schritte ertönten. » Ich bin’s, J…Jillan.«
    Er kannte die Stimme fast so gut wie seine eigene. Sie hatte ihn jahrelang geneckt und schikaniert, obwohl sie nun etwas tiefer klang, als er sie in Erinnerung hatte. Er blickte auf und sah Haal in die Augen. » Du.«
    Haal hob die Hände.
    Jetzt wird er mich schlagen. Er ist gekommen, um endlich Rache zu nehmen.
    » I…ich weiß, was du von mir halten musst. Bitte lass mich einfach ausreden, dann gehe ich auch«, sagte der bullige junge Mann eilig. » Es tut mir leid, was ich damals immer zu dir gesagt habe, Jillan, und auch, dass ich das eine Mal… mit Silus und Karl, na, du weißt schon.« Er holte Atem, um langsamer zu sprechen und das Zittern seiner Stimme zu unterdrücken. » Was geschehen ist, war meine Schuld, das weiß ich, und auch alles, was dir danach zugestoßen ist. Mein Vater war sehr wütend auf mich– so wütend hatte ich ihn noch nie erlebt– und hat mir gesagt, dass ich mich bei deinen Eltern entschuldigen sollte, aber dazu hatte ich keine Gelegenheit, bevor sie abgeholt wurden. Also entschuldige ich mich jetzt bei dir. Nicht nur, weil es das Letzte war, was mein Vater mir zu tun geraten hat, bevor er die Pest bekommen hat, und auch nicht wegen all dessen, was Hella gesagt hat, sondern weil ich weiß, dass ich etwas Falsches getan habe, und weil es mir wirklich leidtut.« Er sah auf seine Hände hinab und trat von einem Fuß auf den anderen. » Ich weiß nicht, was mich dazu gebracht hat. Ich war nie so schlau wie du, und deshalb werde ich wütend, wenn ich etwas Dummes anstelle, verstehst du? Ich wünschte, ich wäre nicht so dämlich. Mein Vater hat gesagt, ich würde nie schlau genug sein, um wie er Ältester zu werden. Ich vermisse ihn sehr. Ich wünschte, ich hätte ihn stolz gemacht.«
    Mit Tränen in den Augen schwieg Haal. Jillan wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte Haal noch nie so viel am Stück reden hören, und er hatte ganz gewiss noch nie erlebt, dass er sich für irgendetwas entschuldigt hatte. Der Haal, den er früher gekannt hatte, hatte immer mit einem hämischen Lächeln, mit finsterer Miene oder gleich mit den Fäusten gesprochen, aber dieser Junge war völlig anders. Jillan wurde bewusst, dass er sich höchstwahrscheinlich genau wie Haal verändert hatte. Es hatte Zeiten gegeben, in denen er nichts mehr genossen hätte, als sich über seinen kräftigen Klassenkameraden lustig zu machen, aber jetzt war das anders. Sie schwiegen eine Weile einträchtig, doch am Ende sagte Jillan: » Schon gut, Haal. Es tut mir auch leid, was Karl zugestoßen ist. Ich wollte nicht, dass das geschieht.« Er hielt inne. » Ist dein Vater…?«
    Haal nickte. » Sie haben ihn zusammen mit den anderen toten Ältesten zum Südtor hinausgebracht. Es sind nicht viele Leute zur Trauerfeier gekommen. Zu dem Zeitpunkt hatten wir keinen Prediger, um sie dazu zu zwingen, ihm die letzte Ehre zu erweisen, und alle hatten aus gutem Grund Angst vor der Pest.«
    » Es tut mir leid, dass ich nicht früher zurückgekommen bin. Ich mochte deinen Vater. Ich hätte versuchen können, ihm zu helfen. Ich weiß nicht. Meine Eltern sind auch gestorben.«
    Haal sah ihm in die Augen, und eine Art Verständnis bildete sich zwischen ihnen heraus. » Was sollen wir jetzt tun, Jillan? Einige Leute aus der Stadt haben sich mittlerweile davongestohlen, da keine Helden mehr da sind, um sie aufzuhalten. Den Heiden scheint das gleichgültig zu sein. Aber es ist da draußen nicht sicher, oder?«
    Jillan zuckte mit den Schultern. » Hier drinnen ist es wohl auch nicht sicherer als draußen. Ich bleibe aber hier, um so viele vor der Pest zu retten, wie ich nur kann.«
    » Dann bleibe ich auch«, erwiderte Haal.

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