Das Wispern der Schatten - Roman
festgehalten wurde, die Hella auf derbe Art verhöhnten. Der Heilige lachte in dem Wissen, dass sein endgültiger Sieg nur noch wenige Augenblicke entfernt war.
Häuptling Pralar brüllte trotzig auf, schwenkte die beiden rauchenden Sonnenmetallschwerter und übertönte beinahe den Donnerhall des Heiligen. Die Bergkrieger scharten sich um den jungen, aber von den Göttern begünstigten Krieger.
» Wartet!«, schrie Jillan verzweifelt.
Aber der tapfere Berghäuptling konnte ihn nicht hören, und da ihn die Kampfeswut nach wie vor im Griff hatte, war er Vernunftgründen ohnehin nicht zugänglich. Tote Helden lagen rings um Pralar, und er war mit ihrem Blut beschmiert. Er war eine furchterregende Erscheinung und eine Verkörperung der Rache der Heiden. Die Helden in der ersten Reihe, die ihm gegenüberstanden, konnten gar nicht anders als zurückzuweichen, und das trotz der Tatsache, dass sie von ihrem Heiligen gelenkt wurden.
» Für die Götter!«, schrie Häuptling Pralar, und der Schlachtruf wurde von all seinen Männern aufgenommen. Sie stürmten mit weit aufgerissenen Augen in furchtlosem Eifer vorwärts. Die Bergkrieger bildeten eine Speerspitze, der Häuptling ganz vorn, Slavin und Thomas direkt hinter ihm, dahinter wiederum Torpeth und Aspin und ein dritter Mann und dann die übrigen zweihundert. Der Speer prallte gegen den Schildwall, den die Helden gebildet hatten, und durchstach ihn sofort.
Wo auch immer Pralar aufstampfte, bebte die Erde, und Helden verloren das Gleichgewicht und den Kopf. Wohin er auch blickte, blendeten und verwirrten seine strahlenden Augen seine Feinde, sodass sie ihren Tod nicht kommen sahen. Wo er atmete, erstickten die Soldaten des Reichs, griffen sich an die Kehle und brachen zusammen. Wo er sich bewegte, brannte die Luft, und Männer wurden von Flammen aus Blut verzehrt. Wo sein Speichel landete, verloren seine Gegner den Mut, und ihre Körper waren von eisiger Furcht gelähmt. Die Götter ritten auf seinen Schultern, und er konnte über ihre Elementarkräfte gebieten.
Wann immer eine Reihe aus zwölf Helden Pralar zugleich angriff, sprang Thomas nach links, um die Flanke des jungen Kriegsherrn zu schützen, während Slavins wirbelnde Speere die Gegner zur Rechten durchbohrten. Wenn ein Held Thomas und Slavin auswich oder sich erfolgreich gegen sie verteidigte, sprang Torpeth mit einem beinahe übersinnlichen Wissen darum, wo Waffen in der Luft waren oder gleich sein würden, so schnell vorwärts, dass man der Bewegung mit bloßem Auge nicht folgen konnte, und brachte mit der sachtesten Berührung den sofortigen Tod.
Bald wurden die Helden zurückgedrängt, bald stürmten sie wieder vorwärts wie Wellen, die an einen Strand brandeten. Sie strömten seitlich an der Speerspitze entlang, die Pralar und seine engsten Gefährten bildeten, nur um sich an Aspin und den anderen zu brechen. Die tanzenden Bergkrieger wirbelten ständig herum und duckten sich, sodass es ihrem disziplinierten Feind unmöglich war, ihrer Drehbewegung geordneten Widerstand entgegenzusetzen. Die Heiden stürmten durch die Reihen der Helden, und am Ende stand Häuptling Pralar dem heiligen Vertreter der Erlöser von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
Der heilige Azual sah sie kommen und kostete den Augenblick aus. Was spielte es schon für eine Rolle, ob fünf Helden für jeden Heiden starben? Jeder tote Heide war zugleich eine Verkörperung des freien und chaotischen Geas weniger. Leben um Leben, Schritt um Schritt, Tropfen um Tropfen, Sekunde um Sekunde neigten sich die Zeit und die selbstbestimmte Kraft des Geas dem Ende zu. Bald würde nur noch der Junge aufrecht stehen, und dann würde er alles sein, was noch zwischen Azual und dem Geas stand. Da das Geas nun so mächtig an den Jungen gebunden war, würde es bis auf ihn keine andere wichtige Verkörperung und kein Versteck mehr haben. Es würde sich dem Jungen ganz übereignen müssen oder Gefahr laufen, sie beide für immer ins Verderben zu stürzen. Ja, das Geas würde sich Jillan hingeben müssen, und dann würde Azual den Jungen und das Geas in Besitz nehmen. Der Augenblick seines Aufstiegs und seiner Vergöttlichung war gekommen. Es würde auch keine anderen Götter mehr geben– keine dieser jammernden und quäkenden verworfenen Götter von Erde, Luft, Feuer und Wasser!–, denn er würde der eine Gott allen Lebens sein, der höchste und prägende Wille, der dann darangehen würde, den Kosmos herauszufordern. Die Sterne würden unter seinen
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