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Das Wispern der Schatten - Roman

Das Wispern der Schatten - Roman

Titel: Das Wispern der Schatten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam J Dalton
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fürchteten sich auch vor seinen heftigen Gefühlsausbrüchen. Derjenige, der allein mit Torpeth zurückblieb, während der andere Brennholz holte, zog sich ans gegenüberliegende Ende des Raums zurück und versuchte, dem Blick des heiligen Mannes auszuweichen.
    Am Abend holte Torpeth sie zu sich an das kleine Feuer und erzählte ihnen manch närrische Geschichte. Er fügte den Flammen irgendeinen seltsamen, übelriechenden Brennstoff hinzu– Aspin hatte den Verdacht, dass es Kot oder dergleichen war–, dessen Rauch dafür sorgte, dass sie um Luft rangen, aber auch die ein oder andere Halluzination hatten. Pralars Augen weiteten sich übermäßig, er schwitzte heftig, und sein Gesicht nahm einen gehetzten Ausdruck an. Er bat wieder und wieder um die Geschichte vom nackten Krieger.
    » Es war einmal ein Mann«, flüsterte und pfiff Torpeth zwischen braunen Zähnen hindurch, » der den alten Göttern unseres Volkes treu ergeben war. Er brachte die Tage damit zu, den Himmel zu beobachten, um den Willen Wandars von den Wütenden Winden zu ergründen, zu baden, um den Lauf Akwars von den Wallenden Wassern zu erkennen, und den Boden zu bearbeiten, um die Wege Gars vom Stillen Stein zu verstehen. Wo auch immer die Sonne die Erde beschien, sah sich der Krieger von Sinisar vom Leuchtenden Pfad geleitet und dazu berufen, alle Menschen unter der Sonne zur Verehrung der alten Götter zu bringen. Und so führte er überall auf der Welt Krieg, wo die Sonne schien. Es herrschte großes Leid, aber am Ende beugten sich alle Leute dem, was der Krieger verlangte und befahl. Das Volk war vereint, aber es lebte nicht in Wohlstand, wie der Krieger gehofft hatte, denn Wandar blieb kriegerisch, Akwar streifte immer noch unstet umher, und Gar war unbewegt. Dem Krieger wurde klar, dass die Leute einfach nur das Knie beugten, statt sich den alten Göttern mit Herz und Verstand zu öffnen. Deshalb setzte der Krieger seinen Krieg gegen alle Menschen, die von der Sonne beschienen wurden, fort und strafte sie für ihren mangelnden Glauben. Das Leid war so groß, und die Menschen hatten so wenig zu verlieren, dass sie beschlossen, die Herrschaft des Kriegers abzuschütteln und sich von den alten Göttern abzuwenden, obwohl es viele von ihnen das Leben kostete. Die Götter zürnten mehr denn je und schickten Stürme, Dürrezeiten, Pest und Hungersnot gegen das Volk. Als die Anderen herkamen, fanden sie ein verwüstetes Land vor. Im Volk herrschte Uneinigkeit, unter den Göttern Unordnung, und beide lagen in einem fürchterlichen Zwist miteinander. Es gab niemanden, der gegen die Anderen bestehen konnte, und sie konnten sich nehmen, was sie wollten. Die meisten Menschen hatten keine Wahl, als sich der Herrschaft der Anderen zu unterwerfen. Die alten Götter waren gestürzt, und ihre wenigen verbliebenen Anhänger wurden ins Gebirge verdrängt, an einen Ort unbarmherziger Stürme, gefrorenen Wassers und unwirtlicher, steiniger Böden. Selbst wenn Sinisar es wagte, sich zumindest teilweise zu zeigen, beschien er nichts mehr mit ausreichender Kraft, um es in etwas Gottberührtes zu verwandeln. Was nun den Krieger betraf, so stand er mit leeren Händen da und begriff, dass sein Wunsch, alles zu verstehen und alles zu besitzen, ihm zum Verhängnis geworden war. Er hatte versucht, das ganze Volk und die Götter zu umfangen, als er noch dazugehört hatte, und das war dem Volk, den Göttern und ihm selbst zum Verhängnis geworden. Er hatte nichts, er verstand nichts, und er war zu nichts geworden. Er hatte keine Waffe und keine Rüstung mehr. Sein Verstand war zerstört. Wahrlich, er war ein nackter Krieger, der nur noch dazu taugte, gegen sich selbst zu kämpfen.«
    Im matten, flackernden Licht musterten Aspin und Pralar Torpeth in nachdenklichem Schweigen. Dieser heilige Mann, der nichts als sein eigenes Haar und seinen Schmutz am Leibe trug, konnte doch gewiss nicht der nackte Krieger sein? Das Erscheinen der Anderen musste schon vor vielen Zeitaltern erfolgt sein.
    » Ist der nackte Krieger gestorben?«, fragte Pralar dümmlich und ließ Aspin zusammenzucken. Keiner von ihnen hatte je zuvor eine Frage gestellt.
    Torpeth kicherte und furzte. » Welche Moral hätte die Geschichte dann wohl, du dämlicher Ochse? Den nackten Krieger gibt es immer noch, und er kämpft bis in alle Ewigkeit gegen sich selbst. Es war seine Strafe, die endgültige Vernichtung des Volkes und der alten Götter mit anzusehen. Während er einst gottberührt war und in einer

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