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Das Wispern der Schatten - Roman

Das Wispern der Schatten - Roman

Titel: Das Wispern der Schatten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam J Dalton
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er Schüttellähmung. Schatten in der Nähe des Feuers verschoben sich, und ihm wurde plötzlich bewusst, dass sich jemand vor ihm befand.
    » Also bist du hergekommen, um mich herauszufordern, was?«, knurrte Pralar, der vierschrötige, grausam blickende Sohn des Häuptlings. » Torpeth hat gesagt, dass ein Herausforderer herkommen würde, obwohl ich kaum glauben konnte, dass jemand es wagen würde, gegen mich anzutreten.«
    Aspin schüttelte den Kopf. » Nein, Häuptlingssohn, ich fordere dich nicht heraus. Alle sind sich einig, dass du der nächste Anführer unseres Stammes sein wirst.«
    Torpeth stand plötzlich neben Aspin. » Oh, aber du hast doch versprochen, den Göttern einen Preis zu bezahlen, Sohn des Schnees! Du bringst eine Herausforderung mit, ob du es nun weißt oder nicht. Während der kommenden Schneewochen wird Pralar hierbleiben und die Geheimnisse des Stammes lernen, so dass er eines Tages herrschen kann. Sohn des Schnees, du hast darauf bestanden hierzubleiben, also wirst du diese Geheimnisse ebenfalls lernen. Du wirst eine Herausforderung für Pralars Herrschaft darstellen, ob du willst oder nicht. Du hast deine Wahl getroffen, Krieger.«
    » A…aber das wusste ich nicht! Ich hatte keine Wahl!«
    Torpeth schnalzte mit der Zunge. » Man hat immer eine Wahl. Du darfst gehen, wenn du möchtest. Das wäre natürlich dein Tod, aber es ist deine Entscheidung.«
    Aspin sah sie beide stirnrunzelnd an und zuckte schließlich mit den Schultern. » Dann muss ich anscheinend zum Herausforderer werden.«
    » Das wirst du bereuen!«, drohte Pralar finster.
    Torpeth kicherte und stieß Aspin näher ans Feuer.
    Die folgenden Tage verschwammen miteinander, denn es gab wenig, was sie voneinander unterschied. In der Hütte war das Licht immer schwach, ob es nun Tag oder Nacht war; sie aßen zu jeder Mahlzeit von demselben riesigen Haufen Pinienkerne und taten und sagten sehr wenig Bedeutsames.
    Wenn Aspin aufwachte, stellte er immer fest, dass er näher neben Pralar und Torpeth lag, als ihm lieb war, aber im Haus gab es so wenig Wärme wie Licht, sodass es kein Wunder war, dass ihre Körper versuchten, sich gegenseitig zu wärmen. Leider schnarchte Torpeth laut und stank so übel, dass er Aspin oft wach hielt. Einmal war Aspin sogar schon entschlossen gewesen, den heiligen Mann zu schütteln und von sich zu stoßen, aber die weit aufgerissenen, rollenden Augen des Wahnsinnigen hatten ihn davon abgehalten.
    Sobald Torpeth wach war, bestand er darauf, dass die anderen beiden völlig still blieben– er nannte es » den Göttern Ehre erweisen«. Wenn Pralar oder Aspin sich zu laut bewegten oder auch nur zu schwer atmeten, schrie er empört auf, bekam Schaum vor dem Mund und riss sich ganze Händevoll verfilzter Haupt- oder Barthaare aus. Dann begann er unweigerlich zu weinen, wobei ihm der Rotz ungehindert aus der Nase lief, und flehte das Dach, den Schornstein und den Keller um Vergebung an. Er hatte Pralar einmal tätlich angegriffen, und das mit so schnellen Bewegungen, dass man sie nur verschwommen hatte wahrnehmen können und Pralar außerstande gewesen war, sich zu verteidigen. Gerade als es so ausgesehen hatte, als würde der Sohn des Häuptlings zusammenbrechen, hatte irgendetwas Torpeth abgelenkt, und er hatte aufgehört und stattdessen begonnen, in die Luft hinein Unsinn zu reden. Ein anderes Mal hatte der heilige Mann sich hintenüber ins Feuer geworfen und sich zu winden begonnen wie ein Hund, der sich den Rücken scheuert; sie hatten ihn an den Fersen daraus hervorziehen und dann durch die Tür in den Schnee schleifen müssen.
    Nachdem sie den Göttern Ehre erwiesen hatten, starrte Torpeth erst den einen, dann den anderen wie zum ersten Mal an und murmelte etwas in seinen Bart. Er pflegte sich gedankenverloren unter den Achseln oder am Gemächt zu kratzen und dann in der Nase zu bohren. Aspin war sich sicher, dass der Mann Flöhe hatte. Dann stellte Torpeth ihnen dieselben albernen Fragen wie jeden Tag– wie sie hießen, wer ihre Eltern waren, was ihre Lieblingsfarbe war und so weiter.
    Am Nachmittag fragte sich Torpeth dann immer laut, ob sie mehr Brennholz bräuchten, und Pralar und Aspin stritten sich um das Vorrecht, hinauszugehen und es aus dem abgedeckten Vorrat neben dem Haus zu holen. Sie waren beide erpicht darauf, die beengte und verräucherte Behausung des unberechenbaren heiligen Mannes zu verlassen, wann immer sie konnten. Sie fühlten sich nicht nur von ihm abgestoßen, sondern

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