Das Wispern der Schatten - Roman
zischte er. » Wie ist das möglich?«
Der Hauptmann wurde sichtlich blass, als sein Gesicht nahe an das des Heiligen mit seinem schrecklichen Auge gezogen wurde. » H…Heiliger, ich weiß es wirklich nicht, das schwöre ich bei den gesegneten Erlösern! Den beiden Jungen sind plötzlich die Haare ausgefallen. Dann haben sich ihre Zähne gelockert. Der Arzt hat mir zugeflüstert, dass auch ihre Finger- und Zehennägel schwarz angelaufen und abgefallen sind.«
» Und du bist dir sicher, dass es ansteckend ist? Antworte mir, Mann!«
Hauptmann Hamir nickte. » Der Arzt geht davon aus. Einer meiner Männer, der den toten Jungen und die beiden anderen zu ihren Eltern zurückgebracht hat, ist an etwas Ähnlichem erkrankt. Er… er ist dem Tode nahe, Heiliger.« Er hielt inne. » K…könnt Ihr vielleicht etwas für ihn tun?«
Azual stieß den Mann von sich. » Es steht dir nicht an, mir Fragen zu stellen. Ich muss nachdenken. Jetzt verstehe ich auch, warum es dir so dringend darum zu tun war, den Jungen zu finden– dir ist es wichtig, die Ausbreitung der Pest einzudämmen. Wer weiß sonst noch über die Ansteckungsgefahr Bescheid?«
» Alle Ältesten, der Prediger, die Eltern von Silus, der Arzt und ich. Das sind alle, Heiliger.«
» Gut. Sorg dafür, dass es so bleibt. Das Letzte, was wir gebrauchen können, ist eine Massenpanik. Die Anzahl der Leute, die Gottesgabe verlassen, muss auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Der Händler muss diskret vom Arzt untersucht werden, bevor er die Erlaubnis zur Abfahrt erhält, genauso die Helden, die die Wagen mit dem Zehnten nach Hyvans Kreuz begleiten. Die Helden dürfen keine Jugendlichen aus Gottesgabe für die Ausbildung im Großen Tempel rekrutieren, solange du nichts anderes von mir hörst. Ist das klar?«
Der Hauptmann salutierte. » Ja, Heiliger.«
» Und diejenigen, die sich bereits angesteckt haben, werden von allen bis auf den Arzt ferngehalten, ja? Ihre Leichen müssen verbrannt werden. Ja, gut.« Als er wieder auf den großen Versammlungsplatz zuzustreben begann, fand er die Gedanken des Arztes und erforschte sie kurz. Eine Krankheit mit ähnlichen Symptomen brach dann und wann unter den Greisen in den ärmlicheren Vierteln von Gottesgabe aus, aber es hatte nie Anzeichen dafür gegeben, dass sie ansteckend sein könnte.
Die Pest war das Letzte, was Azual gebrauchen konnte. Alle paar Generationen brach eine Seuche in einer der Regionen aus, und ganze Gemeinden mussten geopfert werden, um die Ansteckung zu begrenzen. Er hatte sogar das Gerücht gehört, dass sich vor ein paar Jahrhunderten einer der Heiligen im Norden mit einer Seuche infiziert hatte und daran gestorben war. Nun, das hatte man eben davon, es dem Volk zu gestatten, der eigenen heiligen Person zu nahe zu kommen. Ärgerlicherweise kam es jetzt nicht mehr infrage, Haal und Silus zu den Erlösern zu ziehen, um ihre Gedanken darüber zu lesen, welche Art von Magie Jillan gewirkt hatte. Der Junge sollte verflucht sein! Wie kam es nur, dass er so schwer zu fassen war?
Azual war zu abgelenkt, um die gepflegten Häuser und die sich verneigenden Menschen zu bemerken, die die breite Straße säumten, die in gerader Linie vom Nordtor zum Versammlungsplatz im Stadtzentrum führte. Er war taub und blind für jedes Winken, Gebet und Flehen. Der Junge hatte die Schule verlassen und war angegriffen worden. Es war irgendeine Magie im Spiel gewesen, und ein Mord war geschehen, aber es gab niemanden, der ihm mehr darüber erzählen konnte… es sei denn, er brachte den Arzt dazu, als Mittelsmann zwischen ihm und den beiden Jungen zu dienen. Das würde er später vielleicht in die Wege leiten. Aber wohin war der Junge nach dem Mord verschwunden? Doch ganz bestimmt ins Haus seiner Eltern. Und das waren Maria und Jedadiah aus Neu-Heiligtum! In seinem Magen breitete sich Übelkeit aus. Das konnte kein Zufall sein.
Vor einigen Jahrzehnten hatte Azual Anzeichen dafür entdeckt, dass das Volk von Neu-Heiligtum sich mit heidnischen Hexereien abgab. Die Leute dort hatten vieles von dem, was sie getan hatten, vor ihm geheim halten können, weil sie einen Weg gefunden hatten, ihre Gedanken zu verschleiern. Als Azual die Stadt aufgesucht hatte, um die nächste Generation von Kindern zu den Schöpfern zu ziehen, hatte ein Junge sich ein paar Gedanken darüber entreißen lassen, dass seine Eltern Rituale vollführten, um die Gegenwart des Geas in Neu-Heiligtum zu stärken. Azual hatte vor gerechtem Zorn darüber gebrannt,
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