Das Wispern der Schatten - Roman
entwischen, was, Hauptmann? Was meinst du, hilft irgendjemand ihm?«
Der Hauptmann musste fast rennen, um mit Azuals langen Schritten mitzuhalten. » Da er der Sohn eines Jägers ist, vermuten wir, dass der Junge ein bisschen über die Wälder Bescheid weiß, Heiliger. Wir haben von den Eltern sehr wenig erfahren; sie sagen, der Junge sei gar nicht aus der Schule zurückgekehrt. Außerdem haben wir seine beste Freundin verhört, Hella Jacobstochter, die Tochter des Stadthändlers. Sie schwört bei den gesegneten Erlösern, dass sie nichts über die Vorfälle weiß, die sich zugetragen haben, obwohl sie die Schule zur selben Zeit wie Jillan verlassen hat. Anscheinend haben Jillan und das Mädchen im Unterricht gestört und mussten nachsitzen.«
» Wirklich?«, murmelte Azual. Eines musste man dem Hauptmann lassen, er hatte in vergleichsweise kurzer Zeit eine nützliche Fülle von Informationen zusammengetragen, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass er bestimmt das Volk hatte beruhigen müssen, bevor er eine Suche in die Wege hatte leiten können. Er hatte Azual so viel gegeben, dass er damit beginnen konnte, in den Köpfen der Leute nach Antworten auf die Frage zu suchen, was geschehen war. Ach ja, dieser Eiferer Praxis hat im Unterricht ganz schön Wind gemacht. Jillan und Hella haben die Schule tatsächlich erst verspätet verlassen. Jacob und die meisten Ältesten glauben, dass Hella schuldlos ist. Doch Azual konnte die Wahrheit nicht im Kopf des Mädchens lesen, weil Hella noch nicht zu den Erlösern gezogen worden war. » Lass das Mädchen in den Tempel schicken. Ich kümmere mich später um sie.« Er runzelte die Stirn. Sie hatten die Schule verlassen, aber was dann? Er konnte es nicht genau lesen. Nur Spekulationen und Hysterie. » Der Mord selbst, Hauptmann… Wie heißt du doch gleich? Was, glaubst du, ist hier geschehen, hm?«
» Hauptmann Hamir, Heiliger.« Der Held verneigte sich halb, was angesichts des Umstands, dass er mittlerweile tatsächlich rannte, um mit dem sieben Fuß großen Heiligen Schritt zu halten, keine Kleinigkeit war. Er zögerte und bemühte sich offensichtlich, seine Worte sorgfältig zu wählen. » Heiliger, ich habe den Verdacht, dass einige von Jillans Klassenkameraden ihm auf dem Heimweg aufgelauert haben. Drei von ihnen.«
Ah ja, der Sohn des Ältesten Corin, Haal – ein kleiner Tyrann. » Sie haben ihn also verprügelt.«
» Das vermute ich jedenfalls, Heiliger«, sagte Hauptmann Hamir nickend. » Drei gegen einen. Der Junge wird gezwungen gewesen sein, alle Mittel zu nutzen, die ihm zu Gebote standen. Wie sich herausgestellt hat, muss er mit heidnischen Hexern von außerhalb der Stadtmauern im Bunde gewesen sein.«
Azual wischte die unwissenden Bemerkungen des Mannes mit einer Handbewegung beiseite. » Gewiss hast du doch diesen Haal und…« Wie hieß noch gleich der andere? » …Silus befragt? Was haben sie gesagt? Ich muss wissen, von welcher Art die betreffenden Zauber waren, wenn wir uns sinnvoll gegen sie schützen sollen.«
Jede von Azuals Fragen lenkte die Gedanken des Hauptmanns auf die eine Information, nach der Azual suchte, sodass er sie ihm rascher entlocken konnte. Der Heilige hätte dieses Wissen dem Verstand des Mannes ohnehin entnehmen können, aber es war immer leichter, wenn man es mit jemandem zu tun hatte, der fügsam war und sich führen ließ. Der Heilige hätte auch alle Gedanken in der Stadt nach dem durchsuchen können, was er benötigte, aber diese Herangehensweise öffnete einer Flut widersprüchlicher Gedanken und Vorstellungen Tür und Tor, die man dann erst sieben musste, bevor man Tatsachen von Erfundenem unterscheiden konnte. Wenn man also etwas herausfinden wollte, was im Volk nicht allgemein bekannt war, kostete es weit weniger Anstrengung und Mühe, einfach irgendjemandem Fragen zu stellen, sodass die Information, an der Azual interessiert war, in seinem Kopf ganz zuoberst lag. » Ach, wie ich sehe, hast du sie gar nicht befragt, Hauptmann Hamir. Warum nicht?«
Der Hauptmann rieb sich das unrasierte Kinn und verzog das Gesicht. » Der Arzt hat sich dagegen ausgesprochen, dass irgendjemand sie besucht, Heiliger.«
Wie das? » Die Jungen waren doch sicher nicht bei so schwacher Gesundheit, dass sie nicht befragt werden konnten?« Dann blieb Azual stehen, als er die Antwort aus den Gedanken des Hauptmanns las. Er zerrte den Soldaten am Ellbogen zurück und starrte ihm böse ins Gesicht. » Eine ansteckende Krankheit? Die Pest!«,
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