Das Wispern der Schatten - Roman
peinigen? Warum sollte ich Euch vertrauen, wenn Ihr einen guten Menschen wie Samnir zum sabbernden Irren macht?«
Der Heilige seufzte. Sein Tonfall zeugte von Bedauern, als er sagte: » Nur die gesegneten Erlöser sind vollkommen, Jedadiah. Ich habe selbst viele Kämpfe und Fährnisse zu bestehen. Ich bedaure, was in Neu-Heiligtum geschehen ist, aber es konnte kein Zweifel bestehen, dass es dort dem Chaos gestattet worden war, das Volk zu beeinflussen. Du weißt doch, dass damals unheilige Magie am Werk war, nicht wahr? Ja, ich sehe, dass du es weißt. Ich bedaure das Verhalten meines Predigers und habe ihn schon entsprechend gemaßregelt. Und ich bedaure, was ich Samnir antun musste, aber er musste für seinen Widerstand bestraft werden. Ich musste um der anderen Helden willen ein Exempel an ihm statuieren. Gewiss verstehst du doch, dass es niemandem gestattet werden darf, dem heiligen Vertreter der gesegneten Erlöser zu trotzen, denn sonst würde völlige Anarchie das Reich verwüsten und das Volk der Herrschaft des Chaos anheimfallen.«
Jed war sich nicht sicher, was er sagen sollte. Er hatte abstrakte Vorstellungen wie das Reich und das Chaos nie so recht verstanden. Wenn Maria hier gewesen wäre, hätte sie gewusst, was zu sagen war.
Der Heilige entnahm diesen letzten Gedanken sofort seinem Kopf. » Ach ja, deine liebe Frau Maria. Es geht ihr gut, Jedadiah. Sie ist im Nebenzimmer, und ich habe sichergestellt, dass keiner der Männer sie anrührt. Versteh doch, ich bin nicht das Ungeheuer, für das du mich hältst. Sie wollte mir gerade selbst sagen, wo Jillan sich aufhält, aber dann hat ihre Besorgnis sie überwältigt, und sie ist ohnmächtig geworden. Ich weiß, dass sie will, dass du mir sagst, was ich wissen muss. Wir haben aber keine Zeit zu warten, bis sie wieder zu sich kommt, denn je schneller wir Jillan finden, desto schneller wird er keine Gefahr mehr für das Volk darstellen. Er hat mittlerweile schon zwei Menschen getötet, Jedadiah. Wie viele sollen es noch werden?«
Jed zögerte. Konnte es wirklich sein, dass Maria wollte, dass er dem Heiligen verriet, wo Jillan sich befand? » Ihr lügt«, sagte er mit eisiger Stimme. » Lasst mich sie sehen, dann werde ich ja wissen, ob Ihr die Wahrheit sagt.«
Der Heilige quetschte beiläufig Jeds Verstand und lächelte, als der große Mann zusammenzuckte. » Weißt du, ich könnte Maria ganz mühelos in Ohnmacht fallen lassen und dann scheinbar die Wahrheit sagen. Aber ich bin niemand, der auf solche Täuschungen zurückgreift, und auch niemand, der seine Gedanken verhüllt wie du. Schäm dich!«
Jed wurde rot.
» Ich weiß, dass all dies hier für einen einfachen, ehrlichen Mann wie dich verwirrend ist, Jedadiah. Und zugleich verstehe ich, dass du aus der Besorgnis eines liebenden Ehemanns heraus handelst, wie es nur recht und billig ist. Aber wenn ich die Antworten, die ich benötige, nicht bald von einem von euch beiden erhalte, kann ich nicht versprechen, was geschehen wird.«
» Wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst…«
» Du drohst mir?«, fragte der Heilige mit gefährlich leiser Stimme. » Du hast ein simples Gemüt, Jedadiah, aber das ist keine Entschuldigung für solche Blasphemie. Du zwingst mich, strenger mit dir zu verfahren. Wenn ich dir die Antworten aus dem Kopf pressen muss, wird das deinen Verstand wahrscheinlich so beschädigen, dass es kaum besser um dich stehen wird als um Samnir. Das wird Maria fürchterlich aufregen. Ich bezweifle, dass Marias Verstand ganz so leicht zu brechen ist, aber ihr Körper ist weit schwächer als deiner, nicht wahr? Ein grober Klotz wie du könnte zwar den ganzen Tag lang körperliche Folter ertragen und hätte vielleicht noch ein verqueres Vergnügen an den Narben, die er davontragen würde, aber was würdest du davon halten, wenn Maria das Gleiche durchmachen und ihr hübsches Aussehen verlieren würde? Es wäre doch eine Schande, ihr die Stupsnase abzuschneiden.«
Jed brüllte vor Zorn und sprang trotz seiner Ketten auf. Er rammte den Heiligen und stieß ihn nach hinten. Jed verfolgte ihn und riss den Kopf unter dem Kinn des Heiligen hoch, sodass der Kopf des geweihten Vertreters der Erlöser nach hinten schnellte. Der Heilige ruderte mit den Armen, um das Gleichgewicht zu halten, stolperte aber über seine eigenen Füße und prallte gegen die Wand des Zimmers, sodass er noch einen Schlag gegen den Kopf bekam.
Jed hüpfte und sprang näher heran, fiel aber in seiner Hast vornüber. Er stürzte
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