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Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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ließ.
    Â»Du entkommst mir nicht mehr, mein lieber Professor«, murmelte er vor sich hin.
    6.
    Der Mann, der das Bistro betrat, sah aus wie Dutzende von anderen Männern im Kuppelquartier auch. Seine Schuhe waren ausgetreten, seine Hose zerlöchert, und sein Jackett war an den Ärmeln ausgefranst und mit Flecken übersät. Unter einer zu großen Baseballmütze quollen fettige rote Haare hervor. Er blieb einen Moment am Eingang stehen und ließ seinen Blick durch das Lokal schweifen.
    Der Mann hatte ein schmales Gesicht mit harten Augen. Sein gesamter Ausdruck hatte etwas Rattenähnliches an sich, wozu auch seine Haltung und die Art, wie er sich bewegte, beitrugen.
    Marek bemerkte den Neuankömmling erst, als der an seinen Tisch trat. Er saß allein an demselben Platz, an dem er vor noch gar nicht langer Zeit mit Enrique gegessen hatte.
    Der Mann zog den zweiten Stuhl zurück und setzte sich, ohne ihn um Erlaubnis zu fragen. Marek blickte von seiner Zeitung auf. Das Gesicht kam ihm bekannt vor, er konnte sich aber nicht daran erinnern, woher. Fragend zog er die Augenbrauen hoch.
    Der Mann zog die Zeitung, in der Marek gelesen hatte, zu sich hin und blätterte ein paar Seiten um.
    Â»Sehr interessant, dieser Artikel«, sagte er und begann zu lesen: »Die im Parlament vertretenen Parteien haben in einer gemeinsamen Erklärung die Regierung aufgefordert, schärfer gegen die illegale Einwanderung vorzugehen. ›Hunderttausende von Menschen, vor allem aus dem Kaukasusraum, halten sich inzwischen ohne Genehmigung in unserem Staat auf‹, erklärte ein Parlamentssprecher. ›Sie bedrohen die Sicherheit unserer Bürger, gefährden deren Arbeitsplätze und belasten ganz allgemein das solidarische Verhältnis unserer Bürger zueinander.‹ Innenministerin de Burgh bestätigte, dass die Regierung das Problem erkannt habe und ab sofort mit allen Mitteln gegen die illegalen Einwanderer vorgehen würde. Zu diesem Zweck sei man gerade dabei, die Polizeikräfte in der Hauptstadt entsprechend zu verstärken, denn die meisten Immigranten hielten sich dort auf.«
    Der Mann legte die Zeitung weg und blickte auf. Marek hatte ihn während des Vorlesens genauer betrachtet. Sein Gegenüber mochte auf den ersten Blick wie einer der zahlreichen Obdachlosen des Viertels aussehen, doch sein glatt rasiertes Kinn und die sorgfältig geschnittenen Fingernägel verrieten, dass sich hinter diesem Äußeren etwas anderes verbarg.
    Â»Ich könnte dich sofort mitnehmen lassen«, sagte der Mann und lächelte kalt. Dabei zog er für einen Moment seine Lippen zurück und zeigte seine Zähne.
    Â»Warum? Wohin? Und was willst du überhaupt von mir?« Marek wusste, dass irgendwas nicht stimmte, aber zu früh klein beizugeben entsprach nicht seinem Stil.
    Im Bruchteil einer Sekunde schoss die Hand seines Gegenübers über den Tisch und legte sich um Mareks Handgelenk.
    Â»Lehrt man euch da, wo du herkommst, nicht, wie man sich benimmt?«, zischte sein Gegenüber. »Respekt lautet das oberste Gebot. Wenn du mich noch einmal duzt, ist unser Gespräch sofort beendet und du findest dich morgen in einem Transport in deine Heimat wieder.«
    War das ein Bulle? Hatten sie gemerkt, was er mit der Kamera angestellt hatte? Oder wussten sie, was bei Thura vorging? Aber warum dann die Verkleidung? Warum ließ er Marek nicht einfach verhaften?
    Â»Ah, es dämmert langsam«, sagte der Mann und ließ sein Handgelenk los. »Du merkst, dass du ganz schön in der Scheiße sitzt, und fängst an dich zu fragen, wie du da wieder rauskommst. Genau das ist der Grund, warum ich persönlich hergekommen bin.«
    Â»Sie sind nicht von der Polizei«, stellte Marek fest.
    Â»Gut erkannt, Kleiner. Und Pech für dich, denn mit den Bullen würdest du wahrscheinlich irgendwie fertigwerden. Aber ich bin ein anderes Kaliber. Du solltest dich von meinem derzeitigen Äußeren nicht täuschen lassen. Das ist lediglich ein kleines Hobby von mir.«
    Marek wartete. Der Mann wollte ihn nicht hochnehmen, das war klar. Das konnte nur bedeuten, dass er etwas von ihm wollte. Bei dieser Erkenntnis ging es ihm sofort etwas besser.
    Â»Du hast eine Information, die wichtig für mich ist«, fuhr sein Gegenüber fort. »Wenn du sie mir gibst, dann habe ich auch etwas für dich. Ein fairer Tauschhandel sozusagen.«
    Er zog einen Umschlag aus

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