Das Wörterbuch des Viktor Vau
Wohnung«, sprach er in das Gerät. »Allerdings bewacht, wie ich es mir gedacht habe. Zwei Personen in einem Fahrzeug. Sie stehen zwei Häuser weiter.« Er lauschte kurz. »Das geht nicht. Von hinten kann man sich nicht nähern. Ich werde das übernehmen. Gebt mir ein Zeichen, wenn ihr in Position seid.«
Es dauerte etwa zehn Minuten, bis er das vereinbarte Signal erhielt. De Moulinsart zog sich wieder die Perücke über, stülpte den Hut darauf und schlurfte aus der Einfahrt auf die StraÃe. Mit langsamen Schritten bewegte er sich auf das parkende Auto zu.
Er hatte richtig gesehen. In dem Fahrzeug saÃen zwei Männer, die sein Näherkommen aufmerksam beobachteten. De Moulinsart blieb neben der Beifahrertür stehen und pochte an die Scheibe. Der Mann dahinter lieà das Fenster halb herunter.
Im Bruchteil einer Sekunde analysierte de Moulinsart die Situation. Keiner der beiden etwa fünfzigjährigen Männer hielt eine Waffe in der Hand. Seine Tarnung hatte also funktioniert. Bevor der Beifahrer auch nur ein Wort sagen konnte, zog de Moulinsart die rechte Hand hinter der Plastiktüte hervor. Viermal bellte die schallgedämpfte Pistole auf, und die beiden Insassen fielen mit blutigen Löchern in den Schläfen zur Seite.
De Moulinsart durchströmte ein Gefühl äuÃerster Befriedigung. Es war lange her, dass er im aktiven Einsatz gewesen war, und noch länger, dass er jemanden erschossen hatte. Seine Hand war immer noch so ruhig wie eh und je, stellte er zufrieden fest.
Er lieà die Waffe wieder in der Tasche verschwinden, stopfte Perücke und Hut hinterher und benachrichtigte seine Leute. Nur eine Minute später stand er mit vier Männern vor der Tür des Hauses, in dem Viktor Vau sich aufhielt.
2.
Viktor schlief schlecht in diesen Tagen.
Ãblicherweise ging er mit der Präzision eines Uhrwerks zu Bett, schlief tief und traumlos und wachte stets zur selben Stunde wieder auf.
Das war seit seiner Reise nach Dagombé vorbei.
Nicht nur, dass er schwer einschlafen konnte, seine Nächte waren zudem geprägt von Albträumen. Wiederholt fuhr er schweiÃgebadet auf, weil er in einem Traum erneut auf dem Lastwagen in Dagombé saà und das Massaker stets von Neuem durchlebte. Damals hatte er nicht groà darüber nachgedacht, aber mit wachsendem Abstand war ihm bewusst geworden, dass Leslie eine eiskalte Killerin war, die nicht gezögert hatte, sechs Menschen innerhalb einer Minute umzubringen.
Er erinnerte sich an die Unterhaltungen, die er mit ihr geführt hatte und bei denen sie ihm wie eine verständige Gesprächspartnerin erschienen war. Wie konnte jemand, eine Frau zudem, diese beiden Seiten in einer Person miteinander vereinen? Sie hatte davon gesprochen, Ordnung ins Chaos zu bringen. Jetzt begriff er, dass diese Ordnung endgültig und unumkehrbar war.
Zugleich grübelte er darüber nach, wer der oder die Unbekannten waren, die eine solche Tötungsmaschine engagiert hatten, um ihn zu beschützen. Er bezweifelte, dass es jemand aus der Dynastie war, denn diese Kontakte hatte er vor vielen Jahren abgebrochen. Wer sonst mochte also hinter Leslies Verpflichtung stehen?
Viktor wälzte sich von einer Seite auf die andere und überlegte, auch dies zum wiederholten Mal, ob es nicht besser sei, sich zu stellen. Dauerhaft konnte er nicht auf der Flucht bleiben, und die Sicherheitsdienste würden die Suche nach ihm gewiss nicht so einfach aufgeben. Zudem fehlten ihm seine Forschungen. Konnte eine Kooperation mit dem Staat wirklich so viel schlimmer sein als diese Existenz? Er musste unbedingt mit Astarte darüber reden.
Ein Geräusch schreckte ihn auf. Hatte er soeben Stimmen in seinem Flur gehört? Es war nicht das erste Mal, dass er diesen Eindruck hatte, denn die Wände und Türen des Hauses besaÃen keinerlei akustische Dämmwirkung. Tagsüber konnte er am Leben der Familien über und neben ihm teilnehmen, und nachts hatte er schon mehrfach zu Ohrenstöpseln greifen müssen, um überhaupt einschlafen zu können.
Er wollte sich gerade wieder hinlegen, als ein lauter Knall ertönte. Bevor er reagieren konnte, flog die Tür zu seinem Schlafraum auf und drei Männer mit vorgehaltenen Pistolen stürmten herein. Ein vierter Mann leuchtete ihm mit einer Taschenlampe ins Gesicht.
Viktor riss automatisch die Arme hoch.
»Er ist hier!«, rief einer der Männer.
Gleich
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