Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
Vom Netzwerk:
angemessenes Auskommen.
    Jeder kannte sein Problem: Er war ein Spieler. Es war ihm gelungen, innerhalb von wenigen Jahren das in vielen Jahrhunderten zusammengetragene Vermögen seiner Familie am Spieltisch zu verlieren. Lediglich eine opulente Stadtwohnung stand ihm damals noch zur Verfügung, die er wahrscheinlich ebenfalls versetzt hätte, wenn ihn nicht eines Tages ein alter Freund seines verstorbenen Vaters kontaktiert hätte.
    Bodenstein wusste, dass Roderick Fitzsimmons Direktor eines der beiden Sicherheitsdienste der Dynastie war. Er hatte den Mann als jovialen Onkel kennengelernt, auf dessen Knien er als kleiner Junge imaginäre Pferderennen bestritten hatte und der ihm jedes Jahr zu seinem Geburtstag ein Paket mit ausgewählten Delikatessen zustellen ließ.
    Bei dieser letzten Begegnung war Fitzsimmons allerdings alles andere als jovial gewesen. Sobald sie im Salon Platz genommen hatten, legte er seine Forderungen auf den Tisch: Rudolf habe sich umgehend in eine Therapie gegen seine Spielsucht zu begeben. Rudolf habe nie mehr ein Spielkasino zu betreten. Rudolf habe ab sofort seine Freunde nicht mehr zu treffen.
    Bodenstein hatte zunächst lautstark protestiert. Er sei sein eigener Herr, das Vermögen gehöre ihm, er könne machen, was er wolle. Daraufhin war Fitzsimmons aufgesprungen, hatte ihn mit einer Kraft, die er dem alten Mann nicht zugetraut hatte, am Hals gepackt und aus dem Sessel gezogen und ihm ins Gesicht gezischt, dass Rudolf besser mache, was er befehle, wenn er sich nicht eines Tages als Leiche am Flussufer wiederfinden wolle.
    Das war ein Argument, dem Rudolf nicht widerstehen konnte, zumal Fitzsimmons auch noch angeboten hatte, seine ausstehenden Spielschulden zu begleichen und ihm, nach erfolgreich absolvierter Therapie, eine lukrative Tätigkeit in einem Ministerium zu verschaffen.
    Heute, fünf Jahre später, war er froh, den Ratschlägen Fitzsimmons’ gefolgt zu sein. Er war sich nicht sicher, ob der Alte auch hinter seiner Ernennung zum Leiter der Weltausstellung steckte, konnte es sich aber gut vorstellen.
    Bodenstein legte den letzten Bericht beiseite und reckte sich. Er ging zu dem mannshohen Spiegel gegenüber, wo er zum dritten Mal an diesem Morgen den makellosen Sitz seines Maßanzugs und der sorgfältig nach hinten gegelten Haare überprüfte. Ihm war bekannt, dass sich manche seiner Kollegen über seine Eitelkeit lustig machten, aber das war eine der wenigen Leidenschaften, die er aus seinem alten Leben in die Gegenwart hinübergerettet hatte.
    Er justierte gerade seine goldene Krawattennadel, als das Telefon klingelte.
    Â»Mein lieber Rudolf«, dröhnte eine Stimme, die er jahrelang nicht mehr gehört hatte. »Ich hoffe, die Anarchisten haben dir noch nicht den Sessel unterm Hintern weggebombt.«
    Â»Onkel Roderick«, erwiderte Bodenstein überrascht. Die verwandtschaftliche Bezeichnung hatte sich seit frühesten Tagen eingebürgert, auch wenn Fitzsimmons kein leiblicher Onkel war. »Long time no hear.«
    Â»Der Schutz des Staates lässt einem kaum eine freie Minute. Ich nehme an, du hast auch alle Hände voll zu tun.«
    Â»Das kannst du laut sagen. Die Eröffnung steht kurz bevor, und wir liegen leider immer noch hinter unserem Zeitplan.«
    Â»Du wirst das schaffen, da mache ich mir keine Sorgen. Es sei denn, du hast dich wieder deinem alten Laster zugewandt.«
    Â»Das solltest du doch besser wissen, Onkel Roderick.« Rudolf wusste, dass Fitzsimmons über jeden seiner Schritte informiert war, auch wenn er sich die ganze Zeit nicht hatte blicken lassen. Und er ahnte, was sein Anruf zu bedeuten hatte. Die nächsten Worte bestätigten seinen Verdacht.
    Â»Ich halte dich nur ungern von deiner Arbeit ab, mein Junge, aber ich brauche deine Hilfe.«
    Es war also an der Zeit, etwas von dem zurückzuzahlen, was Fitzsimmons für ihn getan hatte.
    Â»Und was wäre das?«, fragte Rudolf vorsichtig.
    Â»Zwei Dinge: Zum einen möchte ich, dass du die Bewachung des Geländes verdoppelst. Tag und Nacht. Die Bombenwerfer rücken dir etwas zu nah auf den Pelz, finde ich.«
    Â»Verdoppeln?«, rief Rudolf. »Weißt du, was das kostet?«
    Fitzsimmons lachte erneut. »Durchaus, mein Junge. Dann steckst du dir eben etwas weniger vom Budget in die Tasche.«
    Â»Aber …« Rudolf verstummte. Das war keine Bitte, das war ein Befehl. Er seufzte. »Okay, ich werde

Weitere Kostenlose Bücher