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Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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kann das beurteilen, denn mit Basteleien kenne ich mich aus.«
    Â»Und?«
    Â»Ich frage mich, woher das Zeug stammt.«
    Â»Du bist eindeutig zu neugierig.« Thuras Miene wirkte nun strenger.
    Â»Klar, nichts für ungut.« Marek hob entschuldigend die Hände. »Ich wollte auch gar nicht schnüffeln. Neugier ist nun einmal mein zweiter Vorname.«
    Das schien Thura zu beruhigen. Marek hatte tatsächlich nicht vor, sie zu verraten. Mit Viktor Vau war es etwas anderes gewesen, gewissermaßen eine Ausnahme. Davon musste er nur Enrique noch überzeugen. Mit seinen klaren Vorstellungen von Recht und Ordnung und seiner rationalen Vorgehensweise würde er für sein Verhalten sicher Verständnis zeigen.
    Während Marek jetzt auf der Ladefläche des Lieferwagens auf das Zeichen zum Loslegen wartete, fragte er sich, ob de Moulinsart vielleicht etwas mit Enriques Verschwinden zu tun hatte. Er nahm sich vor, dem morgen sofort nachzugehen. Eine Information zu verkaufen war eine Sache; einen Freund in eine Falle zu locken, etwas völlig anderes.
    Der Fahrer klopfte drei Mal gegen die Trennwand. Das war ihr Zeichen! Endlich! Marek schoss hoch, schnappte seinen Rucksack und öffnete vorsichtig die Hecktür. Die Straße und der Bürgersteig waren leer. Er sprang aus dem Laderaum, gefolgt von seinen Genossen.
    Sie liefen bis zur nächsten Ecke. Etwa fünfzig Meter vor ihnen lag auf der anderen Straßenseite eine Bushaltestelle, wo soeben einer der Pendelbusse von Globatech sechzig Männer und Frauen in identischer Kleidung wie der ihren ausspuckte. Marek und seine Begleiter überquerten die Fahrbahn und schlossen sich den Arbeitern an.
    Ungehindert passierten sie die Wachtposten am Eingang zum Betriebshof der Weltausstellung. Mit ihnen waren auch mehrere Hundert Arbeiter anderer Firmen eingetroffen. Entsprechend groß war das Durcheinander auf dem Hof.
    Marek und seine Gruppe liefen zielstrebig auf eine Baracke am Rand des Platzes zu. Hier gab es für jeden Arbeiter einen Spind, in dem er sein Werkzeug aufbewahren konnte, auch die vier, deren Platz sie eingenommen hatten. Marek hätte gern gewusst, ob sie freiwillig darauf verzichtet hatten, heute zur Nachtschicht zu erscheinen, oder wie es Thura sonst bewerkstelligt hatte, ihnen die Ausweise zu besorgen.
    Sie warteten vor dem Gebäude, bis die meisten Arbeiter es wieder verlassen hatten, und holten sich dann ihre Werkzeugkästen aus den Schränken. An der Grenze des Betriebshofs zur eigentlichen Weltausstellung gab es mehrere elektronisch gesteuerte Drehkreuze. Marek hielt seinen Ausweis gegen den Scanner. Der Apparat gab den Weg frei.
    Sobald sie durch die Sperre waren, marschierten sie auf ihr erstes Ziel zu. Mit ihrer Ausrüstung und ihrer Kleidung waren sie nicht zu unterscheiden von den zahlreichen Gruppen anderer Arbeiter, die überall auf dem Gelände unterwegs waren.
    Es war jetzt kurz nach acht Uhr. Sie mussten ihre Arbeit innerhalb der nächsten vier Stunden erledigen, um dann die Ausstellung um Mitternacht bei Schichtwechsel zu verlassen.
    Ihr erstes Ziel lag direkt vor ihnen. Es war eine zehn Meter hohe Statue auf einem quadratischen Marmorsockel, die den Verfasser des Unionsvertrags, Hagbert Wockendorf, darstellte. Er stand hinter einem Tisch, die linke Faust auf die Tischplatte gestützt, in der rechten ein Bündel von Papieren, das er über seinem Kopf schwenkte.
    Bevor Marek an die Arbeit ging, spuckte er die Statue erst einmal an. Der Unionsvertrag war es, der sein Land in Chaos und Armut gestürzt hatte, indem er die Märkte der Union von denen der umliegenden Gebiete abriegelte. Indirekt waren auch Mareks Eltern Opfer dieses Vertrags geworden. Deshalb war es für ihn eine besondere Genugtuung, Wockendorf zu pulverisieren, auch wenn es nur ein steinernes Abbild war.
    Nach zwei Stunden hatten sie die ersten beiden Bomben angebracht. Die restlichen zwei sollten an derselben Stelle zum Einsatz kommen: dem Unabhängigkeitspalast. Hier war die Arbeit einerseits einfacher, weil noch so viele Leute am Gebäude tätig waren, andererseits erhöhte das natürlich auch das Risiko, aufzufliegen.
    Sie liefen einen der Kiespfade zum Hauptweg entlang, als Marek dort zwei Gestalten bemerkte, die ihm bekannt vorkamen. Sofort hielt er an, beugte sich über seine Umhängetasche und tat so, als würde er darin etwas suchen. Er zischte seinen Genossen, die schon drei Schritte weiter

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