Das Wörterbuch des Viktor Vau
eigentlich nicht verkehrt machen.«
Sie überquerten die StraÃe und lieÃen sich an einem Tisch im Freien nieder. Nachdem sie jeder einen Tee bestellt hatten, sahen sie sich an.
Enrique gab sich einen Ruck. Er hatte Astarte eingeladen, also war es auch an ihm, das Gespräch zu eröffnen.
»Wo arbeitest du eigentlich? Du sagtest, du hättest so viel zu tun?«
Die Kellnerin brachte ihren Tee und eine Schale mit Keksen, und sie beschäftigten sich einige Minuten damit, Milch und Zucker in ihre Tassen zu füllen.
»Du hältst dich nicht lange mit Vorreden auf, was?« Astarte lächelte ihn an. »Ich meine, mit Fragen wie Was sagst du zum Wetter? , Wie geht es dir? oder ähnlich.«
Enrique spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. »Ich wollte ⦠Ich meine â¦Â«, stotterte er.
»Schon gut«, lächelte sie. »Ich arbeite als Assistentin eines Neurologen in einer psychiatrischen Klinik.«
»Interessant«, murmelte er, auch wenn er es nicht wirklich interessant fand. »Dann bist du Neurologin.«
»Eigentlich Linguistin. Aber die Versuche, die ich begleite, beschäftigen sich mit Sprache.« Sie nahm einen Schluck Tee. »Und du?«
»Studiert habe ich Verwaltungswissenschaft. Im Augenblick schreibe ich an meiner Doktorarbeit. Und nebenbei jobbe ich stundenweise als Kellner in einem Bistro.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ein Doktor der Verwaltung? Das klingt ja ⦠furchtbar.« Sie konnte nur mühsam ein Kichern unterdrücken. »Entschuldige ⦠Mir war bislang nicht klar, dass man Bürokratie als Wissenschaft betreiben kann.«
»Verwaltung ist eine hoch komplizierte Angelegenheit«, verteidigte er sich. »Administrationssysteme müssen ständig weiterentwickelt werden. SchlieÃlich verändert sich der Staat permanent, und man kann ja nicht bei den napoleonischen Methoden stehen bleiben. Aber ich sehe schon, das interessiert dich nicht.«
Sie hatte sich wieder gefangen. »Doch, doch. Das ist spannend.«
Enrique war nicht ganz klar, ob sie sich über ihn lustig machte. »Lass uns nicht über Beamte reden, sondern über dich. Du stammst offensichtlich nicht von hier. Du sprichst die Sprache sehr gut, aber man hört immer noch einen kleinen Akzent bei einigen Worten.«
»Du hast ein gutes Gehör.« Sie nickte. »Ich bin vor einem Jahr hierhergekommen.«
»Und woher?«
Das Lächeln auf ihrem Gesicht verschwand. »Dafür, dass du so wenig sprichst, bist du ziemlich neugierig.«
»Tut mir leid. Ich wollte nicht indiskret sein.« Er rührte verlegen in seinem Tee. »Es geht mich ja auch nichts an.«
»Eben. Ich frage dich ja auch nicht, wo du herkommst. Denn du stammst ebenfalls nicht von hier.«
»Woran hast du das gemerkt?«
»Auch ich habe ein gutes Gehör.« Ihr Gesicht entspannte sich wieder.
»Ich bin in einem der Randstaaten aufgewachsen«, erklärte er. »Die Sprache habe ich erst vor etwa sechs Monaten zu lernen begonnen.«
»Dafür sprichst du sie erstaunlich gut. Nur etwas langsam, das ist mir auch gleich aufgefallen.«
»Vielleicht deshalb, weil ich nicht so schnell denke«, lächelte er.
Sie blickte ihn prüfend an. »Ich denke, du bist cleverer, als du zu sein vorgibst. Die Frage ist nur: Warum verstellst du dich so?«
»Nun bist du neugierig.« Enrique zuckte mit den Schultern. »Ich war schon immer so. Es ist vielleicht besser, von anderen unterschätzt zu werden.«
»Aber nicht bei Frauen«, lachte sie. »Da ist eigentlich genau das Gegenteil üblich. SchlieÃlich wollen wir uns beeindrucken lassen. Aber mach dir keine Sorgen. Ich habe im Augenblick weder Zeit noch Lust auf eine Affäre, geschweige denn auf eine Beziehung.«
Enrique musterte sie.
»Okay«, sagte er nur. »Dann wäre das ja geklärt.«
Sie zog die Augenbrauen hoch. »Ist es das?«
»Du hast es nicht auf mich abgesehen, ich nicht auf dich. Dann können wir also Freunde sein.«
Astarte schien nach wie vor skeptisch. Enrique beschloss, das Thema zu wechseln.
»Erzähl mir ein bisschen mehr über deine Arbeit. Mit was für Patienten hast du zu tun?«
»Es sind vorwiegend Schizophrene«, erklärte sie. »Menschen, die unter dem leiden, was wir Wahnvorstellungen nennen.«
»Du klingst so, als würdest du das anders sehen.«
»Das tue
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