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Das Wörterbuch des Viktor Vau

Titel: Das Wörterbuch des Viktor Vau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Ruebenstrunk
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Narbe.
    Â»Entschuldigen Sie die Störung, aber ich glaube, wir kennen uns.«
    Viktor antwortete nicht.
    Â»Sie gehören zu dem Team, das die Raumkapsel untersucht.«
    Und als Viktor immer noch schwieg: »Ich bin Teil der Betreuungsgruppe.«
    Viktor dämmerte es. Der Vertreter war nicht Teil einer Betreuungsgruppe , sondern Mitglied der Wachmannschaft, welche die Wissenschaftler Tag und Nacht nicht aus den Augen ließ. War dieser Mann ausgeschickt worden, um ihn zurückzuholen? Aber wie konnte das möglich sein, dass er ihn hier aufgespürt hatte?
    Er bemühte sich, gelassen zu wirken. »Es tut mir leid, mein Herr, aber Sie müssen mich mit jemandem verwechseln.«
    Der Vertreter lächelte mild. »Ich glaube nicht. Sie sind Viktor Vau, einer der besten Linguisten der Welt. Und Sie sind auf der Flucht.«
    Viktor erstarrte. »Der Name ist mir unbekannt. Und mit einer Raumkapsel habe ich nichts zu tun.«
    Â»Viktor, Sie können vielleicht anderen etwas vormachen, aber mir nicht. Als ich Sie zufällig am Taxistand sah, fragte ich mich: Was hat der Professor in aller Herrgottsfrühe hier am Bahnhof zu schaffen? Und darauf habe ich nur eine einzige Antwort gefunden. Sie sind auf der Flucht.«
    Viktor begriff, dass Leugnen ihn hier nicht weiterbringen würde. »Sie haben recht«, wollte er gerade ansetzen, als ein roter Punkt auf der Stirn des Mannes erschien. Sein Grinsen wich einem Ausdruck der Verwunderung, dann schlug sein Kopf bereits mit einem hässlichen Geräusch auf den Metallboden des Wagens.
    Die Frau, die mit ihm das Abteil teilte, hielt eine Pistole mit Zielvorrichtung und Schalldämpfer in der Hand und lächelte Viktor zu. Viktor lächelte nicht zurück. Sein Herz schlug hart gegen seine Rippen, und doch war sein erster Reflex, die Füße näher an sich heranzuziehen, damit sie nicht von dem Blut befleckt wurden, das dem Toten aus der Kopfwunde lief.
    Â»Sie verdanken mir Ihr Leben«, erklärte die Frau. »Ich wusste, dass er Sie eher getötet als laufen gelassen hätte – phantasieloser Bastard. Die jungen Leute heutzutage verfügen über keine Kreativität mehr, finden Sie nicht auch?«
    Viktor starrte sie an. »Werden Sie mich demnach kreativer umbringen?«
    Â»Ich werde Sie überhaupt nicht umbringen. Ich hätte Sie während der letzten vierundzwanzig Stunden problemlos ein Dutzend Mal töten können. Aber ich habe es nicht getan.«
    Viktor konnte seinen Blick nicht von dem Toten abwenden. »Dann beobachten Sie mich seit meiner Ankunft?«
    Statt einer Antwort nickte sie nur.
    Â»Und warum?«
    Â»Man will, dass Sie überleben«, antwortete sie.
    Â»Man?«
    Â»Ich habe strikte Anweisung, über meinen Auftraggeber zu schweigen. Um ehrlich zu sein, kenne ich ihn nicht einmal. Seien Sie aber versichert, dass ich nicht für einen der offiziellen Sicherheitsdienste arbeite. Man hat mich angeheuert, um für Ihre Unversehrtheit zu sorgen.«
    Â»Steckt Volante dahinter?«
    Â»Wie ich Ihnen bereits sagte, ich weiß es nicht. Ich erhalte meine Aufträge durch eine Agentur, und die teilt mir nur das absolut Nötigste mit.«
    Â»Aber Sie sind hier, um mir zu helfen?«
    Â»Wenn Sie mir verraten, was Sie vorhaben, werde ich Sie dabei unterstützen, so gut ich kann.«
    Viktor schwieg einen Moment. Was blieb ihm anderes übrig, als sich ihr anzuvertrauen?
    Â»Ich bin auf dem Weg nach Benké, wo ich mich mit einem Kontaktmann treffen werde, der mir helfen soll, über die Grenze nach Togo zu kommen.«
    Â»Der Arizona Market«, sagte sie. Als sie Viktors fragenden Blick bemerkte, fügte sie hinzu: »Der Arizona Market befindet sich in der Nähe der togoischen Grenze. Dort geht man hin, wenn man etwas braucht, das auf legalem Weg nicht so einfach zu beschaffen ist.«
    Â»Sie scheinen sich ja in Dagombé gut auszukennen«, stellte Viktor fest.
    Â»Nun, ich war früher schon einmal hier. In der heißen Phase, als noch der Bürgerkrieg im Norden tobte.«
    Â»Sie haben hier gekämpft?«
    Â»Haben Sie schon einmal von Pinidium gehört?«
    Â»Selbstverständlich.«
    Â»Es ging damals um die Vorkommen dieses äußerst wertvollen Metalls. Die Aufständischen wurden vom Nachbarland bezahlt und riefen eine eigene Republik in Nord-Dagombé aus. Das konnte Banda natürlich nicht zulassen. Pinidium ist der größte

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