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Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert

Titel: Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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ließ auc h s ein Schwert nicht sinken. Mit einem wilden Kriegsschrei holte er noch weiter aus und ließ Phönixfeder auf Mondkind zuschne l len. Sie machte gar nicht erst den Versuch, der gigantischen Klinge auszuweichen. Die Seidenspirale fing den mörderischen Hieb ab, geriet dadurch ins Stocken und sank schließlich ganz in sich zusammen, als Guo Lao einen zweiten Schlag auf Höhe von Mondkinds Hüfte platzierte. Einige Bänder krochen zurück unter den Saum des weißen Kleides und blieben verschwunden.
    Guo Lao holte zu einer dritten Attacke aus. Mit einem übe r menschlichen Sprung brachte Mondkind sich rückwärts aus seiner Reichweite, landete auf einem Baum am Waldrand, prallte ab wie ein Springball und federte zurück ins Zentrum der Lichtung.
    Seidenbänder wirbelten wie weiße Tentakel auf Guo Lao zu, schlangen sich um seine Arme und Beine und zerrten sie gleichzeitig in alle vier Richtungen auseinander. Der Unsterbl i che schrie schmerzerfüllt auf. Seine linke Hand löste sich von Phönixfeders Griff, allein hielt die Rechte das Schwert nur mit Mühe. Trotzdem gelang es ihm, die Klinge in einem Halbkreis herumfahren zu lassen und mehrere Seidenbänder zu zerschl a gen. Sie zerrissen wie straff gespannte Schnüre und zuckten zurück in die Sicherheit von Mondkinds Kleid. Die abgeschl a genen Teile lösten sich zu Nebelschwaden auf und verpufften.
    Guo Lao bekam das Schwert jetzt wieder mit beiden Händen zu packen und befreite sich aus der Umklammerung der Seide. Er ließ die Klinge rotieren wie eine Sense, kappte weitere Bänder und sorgte dafür, dass Mondkind in ihrem Sprung einen Haken schlagen musste und wieder von ihm fortraste.
    Ihre Kunst, sich in Windeseile durch die Luft zu bewegen, erinnerte Niccolo an Wisperwinds Federflug. Er dachte nicht gern daran zurück, wie sie ihn über die Ruine der Riesenbrücke getragen hatte – es war schmerzhaft gewesen, und der Gedanke daran fühlte sich auch jetzt noch ein wenig beschämend an –, aber die Ähnlichkeit war nicht zu übersehen. Auch Mondkind war nicht an die Gesetze des Erdbodens gebunden, sprang wirbelnd umher, kam mühelos mal mit einer, mal mit beiden Fußspitzen auf und war im nächsten Augenblick schon wieder in der Luft.
    Guo Lao setzte ihr nach, nun ebenfalls mit einem übermensc h lichen Satz. Eine gute Mannslänge über dem Boden prallten die beiden aufeinander. Das war der Moment, in dem Niccolo den Überblick verlor. Alles, was er während der nächsten zwei, drei Minuten sah, war ein heilloses Chaos aus zuckenden Seide n schlingen und blitzenden Lichtbögen, die Guo Laos Schwert durch die Dunkelheit schnitt. Die beiden Kämpfer waren wie eingesponnen in einen wabernden Kokon aus Weiß und Silber, und es war nahezu unmöglich, die Gestalten in seinem Inneren auszumachen. Mal war Mondkind zu sehen, dann ihr Gegner. Windstöße jagten über die Lichtung, kämmten das Gras mal in diese, mal in jene Richtung, entlaubten ganze Bäume und peitschten aufstiebendes Erdreich in die Gesichter der sprachl o sen Beobachter.
    Mit einem Mal ertönte ein Laut wie ein Donner, nur höher und schmerzhafter für die Ohren – dann prallten Mondkind und Guo Lao auseinander. Gebeugt und atemlos kamen sie an gegenübe r liegenden Seiten der Lichtung zum Stehen, mehrere Dutzend Meter voneinander entfernt, beide erschöpft und kaum noch in der Lage, den Kampf fortzusetzen. Der Kranich riss oben auf seinem Baum den Schnabel in die Höhe und krächzte zum Himmel empor, als riefe er um Hilfe für seinen Herrn. Guo Lao hatte das Schwert Phönixfeder mit der Spitze in den Boden gerammt und stützte sich darauf wie auf einen Gehstock. Er war zu weit von den drei Gefährten entfernt, als dass sie sein Gesicht hätten erkennen können, doch selbst auf eine Distanz von hundert Metern oder mehr war zu erahnen, wie wenig Kraft er in diesem Augenblick noch hatte.
    Mondkind war nicht weit von Niccolo und den anderen en t fernt aufgekommen, ebenfalls vorgebeugt, eine Hand gegen den Bauch gepresst, die andere abgespreizt, als wollte sie damit ihr Gleichgewicht halten. Ihr Haar war zerzaust und hing ihr strähnig ins Gesicht, die weißen Seidenbänder lagen schlaff am Boden, zu geschwächt, um sich unter den Saum des Kleides zurückzuziehen. Einige zitterten und bebten, bildeten Bögen wie kriechende Würmer, die sogleich wieder in sich zusammensa n ken.
    Mit dünner Stimme versuchte sie offenbar, einen ihrer mag i schen Gesänge anzustimmen, doch schon nach wenigen Silben

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