Das Wolkenvolk 01 - Seide und Schwert
Ablehnung im Blick, und doch zu stolz, um ihm noch einmal nachzulaufen. Das ließ ihn lächeln, ob er wollte oder nicht. Sie verzog nur das Gesicht und schnaubte wütend.
Dann machte er die letzten Schritte, bis er direkt vor Mon d kind stand. Ihr schwarzes Haar schimmerte bläulich im Mondschein. Einen Herzschlag lang wirkte sie verdutzt, als sie in seine Augen sah, so als hätte sie das Gold darin vorher gar nicht wahrgenommen.
» Ich muss deine Hand nehme n «, sagte sie.
Er streckte sie ihr entgegen.
» Ich werde dir etwas von deiner Kraft entziehen. Wie ist dein Name? «
» Niccolo. «
» Hab keine Angst, Niccolo. « Sie lächelte schwach. » Nicht vor mir. «
Guo Lao hatte die Mitte der Lichtung erreicht und stieß einen donnernden Kriegsschrei aus. Er hatte längst erkannt, was sie im Schilde führte, aber er war zu geschwächt, um die Distanz zwischen ihnen mit einem einzigen Sprung zu überwinden.
Mondkind ergriff Niccolos Handgelenk. Ihre Finger ertasteten blitzschnell seine Schlagader und pressten darauf.
» Nei n «, keuchte Feiqing.
Nugua setzte sich hinter ihm in Bewegung. Niccolo sah sie nur aus den Augenwinkeln.
Mondkinds schlanke Finger fühlten sich kalt an. Dann glühend heiß.
Eine unsichtbare Faust rammte vor seine Brust und grub sich geradewegs hinein, packte sein Herz, umfasste es wie einen Schwamm und drückte zu.
» O h «, flüsterte er tonlos.
Mondkinds Lippen deuteten ein schüchternes Lächeln an. » Vertrau mi r «, schien sie zu flüstern, aber er hörte kein Wort. Etwas floss aus ihm heraus. Seine Kraft. Sein Chi, hatte sie es genannt.
Ihm wurde schwarz vor Augen. Vielleicht wurde er bewuss t los. Falls ja, dann nur für einen Sekundenbruchteil.
Als er wieder sehen konnte, stand er noch immer aufrecht. Guo Lao war kaum näher gekommen, nur ein paar Schritte.
Aber Mondkind stand nicht mehr vor Niccolo.
Sie stieg in die Luft, umhüllt von einem brausenden Seide n wirbel, drehte sich wie ein Kreisel und schleuderte einen gebündelten Strang aus Seidenbändern in die Richtung ihres Gegners.
Ihr Lächeln brannte noch immer in Niccolos Augen. Als hätte sie das Gold darin zum Schmelzen gebracht.
Hab keine Angst.
Feiqing zog ihn nach hinten.
Nicht vor mir.
Nugua war herangekommen und fing ihn auf.
Und dann verlor er tatsächlich das Bewusstsein, gerade in jenem Moment, als Mondkind und Guo Lao erneut aufeinander prallten.
MONDKIND
» Was ist passiert? «
Er brachte die Worte hervor, noch während er die Augen aufschlug.
Nuguas Gesicht war über ihn gebeugt und betrachtete ihn mit einem Ausdruck, der ihm auf wundersame Weise liebevoll erschien. Das struppige Haar umrahmte ihre Züge wie Zacken eines schwarzen Sterns. Niccolos Hinterkopf ruhte in ihrem Schoß.
» Ist schon gu t «, sagte sie leise.
» Aber was – «
Sie schüttelte den Kopf und legte einen Finger an seine Li p pen, Noch so etwas, das nicht recht zu ihr passte, fand er. Nugua war niemals sanft und schon gar nicht zärtlich. Doch dann kehrte seine Erinnerung an die Nacht unter der Drachenhaut zurück, an die Wärme ihres Körpers, an das Blitzen ihrer Augen in der Finsternis.
Eine zweite Erinnerung schob sich vor die erste wie eine Wolke.
Mondkinds Lächeln. Ihr Herzschlag, im selben Takt wie seiner.
» Wo ist sie? «, stöhnte er.
Nuguas Miene wurde eine Spur härter, so als hätte er sie gekniffen. Sie presste einen Moment lang die Lippen aufeina n der, dann sagte sie: » Mach dir keine Sorgen u m d eine neue Freundin. Sie ist hier bei uns. Ihr ist nichts geschehen. « Ein Spur schärfer fügte sie hinzu: » Übrigens genauso wenig wie Feiqing und mir. «
Der Vorwurf in ihrem Tonfall traf ihn, aber er überging ihn stillschweigend. » Wo ist der andere? Der Krieger? «
» Fort. Mondkind hat ihn besiegt. Oder zumindest vertrieben. «
Er setzte sich auf. Ihm war schwindelig, aber das legte sich erstaunlich schnell. Allerdings fühlte er sich so erschöpft und ausgelaugt, als hätte er selbst den Kampf mit dem Unsterblichen bestritten.
» Ich danke di r «, sagte eine zarte Stimme zu seiner Rechten.
Wie sie so dastand, hatte Mondkind keine Ähnlichkeit mit einer Kämpferin. Die langen Ärmel ihres Kleides reichten bis zu den Knien und verdeckten ihre Hände, auch der Saum lag weit und wellig um ihre Füße. Ihr schwarzes Haar schmiegte sich glatt an ihren Oberkörper. Ihr herzförmiges Gesicht mit den dunklen Mandelaugen leuchtete mondfarben.
» Ist er tot? «, fragte er mit
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