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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Niccolo die Schriftrolle unter das Wams in den Gürtel. » Bring das zu Guo Lao! «
    Verstört starrte Niccolo ihn an. » Das kannst du selbst tun! Sie wird dich nicht töten! «
    » Egal, was geschieht – bring diese Schriftrolle zu meinem Bruder. «
    » Was steht darin? «
    Tieguai brachte es fertig, selbst jetzt noch zu lächeln . » Meine Einsichten in das Wesen der Berge. «
    » Einsichten in – «
    » Guo La o «, wiederholte der Xian eindringlich. » Suche ihn in der Taklamakan. Er hält sich in einer Karawanserei draußen in der Wüste versteckt. Gib ihm die Rolle. «
    » Ich werde verhindern, dass sie – «
    Mondkinds Kranich stieß einen hellen Schrei aus, als die Wasseroberfläche hinter ihm zurückblieb.
    Niccolo wirbelte herum. Silberdorn fühlte sich schwer an, viel schwerer als sonst, aber es zog seine Arme nicht nach unten. Vielmehr war es, als wollte es verhindern, dass er die Klinge sinken ließ.
    Ich kämpfe nicht mit ihr, dachte er verbittert. Ich bin kein Sklave eines verdammten Schwertes !
    Ein Flattern ertönte, und dann schossen auch schon mehrere Bahnen aus Seide schnurgerade auf Tieguai zu . Der Xian gab Niccolo einen Stoß, der ihn aus seiner Nähe beförderte. Wie ein Schwarm weißer Lanzen rasten die Seidenbahnen in Tieguais Richtung, losgelöst von Mondkinds Kleid, so als hätte es sie wie Sporen von sich geschleudert. Niccolo hatte sie so etwas schon einmal tun sehen, beim Duell mit Guo Lao.
    » Nein! «, schrie er aufgebracht.
    Tieguai riss seinen Fächer aus dem Gürtel, öffnete ihn noch in der Bewegung – und wehrte die Seidenlanzen damit ab wie mit einem Schild. Die Seide war im Flug erstarrt wie mannslange Eiszapfen, aber wo der Fächer sie berührte, erschlaffte sie und fiel als zerknüllter Stoff zu Boden. Tieguai bewegte sich dabei so schnell, dass Niccolos Blicke ihm kaum folgen konnten. Alles was er sah, wa r e in Chaos aus Bewegungen, so als wollte der Xian mit dem Fächer ein hochkompliziertes Schriftzeichen in die Luft weben – und vielleicht war es das tatsächlich, eine Art magisches Symbol, das Mondkinds Seidenlanzen abwehrte.
    Der Kranich schrie erneut und setzte auf. Seine Krallen frästen Spuren in den Boden, ehe er zum Stehen kam . Mondkind sprang nicht herunter, sondern stieg mit einem hellen Ausruf schnurg e rade nach oben auf, wie von einem Katapult geschossen. Am höchsten Punkt, gute zehn Meter über dem Boden, schlug sie einen Salto und fegte im Federflug auf Tieguai zu.
    » Mondkind! «, brüllte Niccolo, als die beiden aufeinandertr a fen. Er rannte los, doch als er die Stelle fast erreicht hatte, an der die beiden mit Fächer und Seidenzauber fochten, stießen sie sich ab und federten davon, hoch hinaus über die Hütte, empor zum Nest von Tieguais Kranich. Der Vogel flatterte kreischend in Sicherheit und setzte neben Mondkinds Kranich am Ufer auf. Niccolo sah die Tiere nur aus dem Augenwinkel und nahm an, die Kraniche würden sich bekämpfen wie ihre Meister; stattde s sen aber saßen sie sich friedlich gegenüber und rieben die Schnäbel aneinander.
    Niccolo konzentrierte sich wieder auf die Felsen oberhalb der Hütte. Die beiden Kontrahenten waren in ein Durcheinander aus Hieben und Tritten verstrickt, chinesische Kampfkunst, die Niccolo so rätselhaft erschien wie die Magie, mit der Mon d kinds Seidengewänder durchwoben waren. Die Stoffbahnen umgaben die Kämpfer dabei wie ein loser Kokon, eine Kugel aus wirbelnder Seide, mehrere Meter im Durchmesser und im Mondlicht so weiß wie frischer Schnee.
    » Mondkind! «, brüllte er abermals. » Tieguai! Hört auf! «
    Vom Schwert in seinen Händen ging ein eigenartiges Ziehen aus, so als wollte es ihn dazu bringen, die Felsen hinaufzukle t tern und sich mit ins Getümmel zu stürzen . Aber er war noch weit genug Herr seiner Sinne, um zu wissen, wie dumm das gewesen wäre. Die beiden dort oben waren viel zu schnell, viel zu erfahren in dem, was sie taten, als dass er – mit oder ohne Schwert – in ihren bizarren Kampftanz hätte einbrechen können.
    Er konnte nur dastehen und zusehen, während das verfluchte Schwert in seinen Händen zuckte und zerrte wie ein Bluthund, der Witterung aufgenommen hat.
    Zeit verging, viel zu viel Zeit, die Niccolo dennoch vorkam wie wenige Sekunden. Das Duell dort oben – geführt mit bloßen Händen, messerscharfen Seidenklingen und einem Fächer, aus dessen Streben jetzt silberne Stahldornen ragten – veränderte sich von der anfänglichen Folge brutaler Attacken und

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