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Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht

Titel: Das Wolkenvolk 02 - Lanze und Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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seltsam dabei, so als gäbe er die Kontrolle über seinen Körper auf, und doch verlieh es ihm ein Gefühl von Macht, das ihm, sobald er die Waffe wegsteckte, erschreckend fremd war.
    Er würde niemals ein perfekter Schwertkämpfer sein – erst recht nicht nach so kurzer Zeit –, weil ihm dazu das Gefühl für den Stahl fehlte und er keinen Schimmer hatte von Taktik und Strategie eines Zweikampfes. Doch das , was allein sein Arm leisten konnte – simple Attacken, solide Paraden –, lehrte ihn das Schwert. Gelegentlich machte auch Tieguai eine seiner schwer zu durchschauenden Bemerkungen, die nie ganz Befehl, niemals ganz Ratschlag waren, und meist wurde Niccolo erst später bewusst, dass auch davon etwas hängen blieb und ihm immer dann, wenn er nicht damit rechnete, hilfreich war.
    Am Abend des dritten Tages saßen sie beisammen in der Hütte. Tieguai hatte seine Rituale vor dem Opferschrein beendet, während Niccolo aus dem, was er an Vorräten vorg e funden hatte, einen Eintopf kochte. Er war ein passabler Koch, weil er schon früher für seinen Vater und sich selbst die Mah l zeiten zubereitet hatte.
    Plötzlich, von einem Moment zum nächsten, spürte er, dass ihm schwindelig wurde. Seine Beine drohten nachzugeben, und er ließ den Löffel scheppernd auf den Kesselrand fallen. Mit einem Stöhnen sank er vor dem Feuer auf die Knie.
    Der Xian sah ihn nur aufmerksam an, so als wüsste er genau, was in seinem Besucher vorging.
    Um Niccolo drehte sich alles. » Ich verschwende hier meine Zeit. «
    » Ist das der Eindruck, den du gewonnen hast? «
    » Das hat nichts mit dir oder dem Tao zu tun. «
    » Womit dann? «
    » Ich bin aufgebrochen, um einen Drachen zu finden und Aether zurück zur Wolkeninsel zu bringen. Ohne mich wird sie untergehen. « Er ballte die Fäuste und stemmte sie fest in das Fell vor der Feuerstelle. » Und Nugua stirbt vielleicht, wenn der Fluch der Purpurnen Hand nicht von ihr genommen wird. Während all das geschieht, koche ich Eintopf. «
    » Du kochst nicht nur Eintopf. Wir reden. Du übst den Umgang mit Silberdorn. «
    Niccolo wirbelte herum. » Aber ich sollte mich wieder auf die Suche nach den Drachen machen! Und wenn ich dabei schon versage, dann sollte ich wenigstens zurü ckk ehren und bei meinem Volk sein, wenn es stirbt. «
    » Was würde das ändern? «
    » Du bist derjenige, der Menschlichkeit und Mitgefühl pr e digt. «
    Tieguai lächelte. » Und doch lebe ich seit einer Ewigkeit allein hier oben und meide die Menschen. Manchmal muss man Dinge aus der Entfernung betrachten, um sie zu verstehen. «
    Niccolo schüttelte energisch den Kopf. » Ich habe das Volk der Hohen Lüfte im Stich gelassen. Und wofür? «
    » Für deine Liebe zu Mondkind? «
    » Für einen Traum! « Er schnaubte abfällig und hatte mit einem Mal Tränen in den Augen. » Oder Albtraum. «
    » Selbst wenn du jetzt aufbrechen würdest, wie wolltest du dann die Drachen finden? «
    » Ich könnte Nugua und Li zum Drachenfriedhof folgen. Das hätte ich von Anfang an tun sollen. Du brauchst meine Hilfe doch gar nicht! Und Mondkind … « Er ließ die Schultern hängen. » Sie braucht mich ganz sicher auch nicht. «
    » Der Einzige, der Hilfe braucht, bist du, soweit ich da s s ehe. Aber die Hilfe, nach der du suchst, kann dir niemand geben. Der Bann, der dich an Mondkind kettet, kann von niemandem gebrochen werden. Und der Aether, den du zum Wolkenvolk bringen willst … nun, du weißt, wie es um den Aether steht. Er will uns alle vernichten . Warum sollte da ein Teil von ihm dein Volk vor dem Untergang bewahren? «
    Das alles wusste Niccolo. Er hatte viel über diese Dinge nachgedacht, sogar draußen auf dem See, wenn er und Tieguai über ganz anderes gesprochen hatten. Jetzt aber fragte er sich, ob all diese Gespräche nicht doch immer nur um dasselbe gekreist waren, ohne dass er es bemerkt hatte. Die Enttäuschung in Tieguais Augen bestätigte seine Ahnung.
    » Hast du denn wirklich nichts verstanden? «, fragte der Xian leise.
    » Ich bin kein Gelehrter, Tieguai. Du magst über das wahre Wesen der Berge sprechen, aber für mich sind das nur … Berge. Und so ist es mit allem. «
    » Du machst dir selbst etwas vor. Du hast mehr begriffen, als du wahrhaben willst. Was dir fehlt, ist Geduld . Den Pfad des Tao findet man nicht in drei Tagen. «
    » Ich bin nicht hergekommen, um dein Schüler zu sein. « Noch während er es aussprach, dachte er: Schüler eines Xian. Genau wie Mondkind! Es war das erste Mal, dass

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